Robert Ris: Calculation Training – Sharpen your Game - eine Rezension

von ChessBase
23.03.2024 – Der niederländische IM Robert Ris ist in seinem Heimatland ein gefragter Trainer und ist zudem ein sehr produktiver Autor. Mario Ziegler hat sich für das Glarean Magazin seinen jüngsten Fritztrainer angesehen, in dem es um Taktik geht. "Calculation Training – Sharpen your Game“ ist eine schöne Sammlung neuer Taktikaufgaben. Robert Ris hat eine angenehme Art der Präsentation und geht auf die wahrscheinlichen Lösungsvorschläge der Leser ein", lautet das Urteil des Rezensenten.

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Die folgenden Rezension von Mario Ziegler erschien bei Glarean Magazin. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

Calculation Training - Sharpen Your Game!

In diesem Videokurs wurden insgesamt 73 instruktive Beispiele ausgewählt, von denen die meisten Folgefragen enthalten, um auf insgesamt mehr als 160 Aufgaben mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad zu kommen.

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Robert Ris: Calculation Training – Sharpen your Game (Fritztrainer)

Rechentraining für Fortgeschrittene

VON MARIO ZIEGLER

Der niederländische IM Robert Ris (Jahrgang 1988) gehört zu den produktivsten Schach-Autoren der letzten Jahre. Er veröffentlichte drei Bücher („Crucial Chess Skills for the Club Player“ Band 1 und 2, „The Modernized Sveshnikov“) und elektronische Schachkurse für Chessable und GingerGM. Vor allem aber ist er für ChessBase tätig, wo er nicht nur für die langlebige „Fast and Furious“-Reihe der ChessBase-Mediathek verantwortlich zeichnet, sondern zahllose DVDs publizierte. Einer seiner Schwerpunkte liegt im Bereich Taktik und Variantenberechnung, und zu diesem Themenkomplex gehört auch seine neueste Arbeit, der Fritztrainer „Calculation Training – Sharpen your Game“.

Ris hat für seine DVD 73 Übungsaufgaben ausgewählt, die oft aus dem Schaffen seiner Schüler stammen. Daher – und da es sich ausnahmslos um aktuelle Beispiele handelt (von einer Ausnahme abgesehen ist keines älter als Herbst 2021) – besteht eine große Chance, dass sie dem Löser noch nicht bekannt sind.
Die Aufgaben verteilen sich auf vier Blöcke in aufsteigender Schwierigkeit (in der Datenbank, die alle Beispiele mit Analysen zum Nachspielen bereithält, sind die Beispiele unter den sieben Schwerpunkten „Simple Tactics“, „Trapped Pieces“, „Don’t Believe Opponent“, „Calculating Short Lines“, „Spot the Weakness“, „Defend“ und „Brain Teasers“ angeordnet).

Kurzzügige Taktik

Der erste Block enthält kurzzügige (oft einzügige) Taktiken, die auf Zwischenzügen, Überlastungen und ähnlichen Motiven basieren. Bei diesen recht einfachen Beispielen besteht die Kunst nicht selten darin, der Verführung durch plausibel aussehende Varianten zu widerstehen, die an einem Detail der Stellung scheitern. Hierzu ein Beispiel:

Gukesh (2637) – Praggnanandhaa (2624), Reykjavik 2022

Schwarz zieht und gewinnt

Der Gewinnzug ist 37…Sd1!, was ein undeckbares Matt vorbereitet (38.h3 Sxf2+ 39.Kh2 Dg3#). Hingegen führt das gleichfalls sehr stark aussehende 37…Se2? nach 38.h3! Dh4 39.Tf1 zu einer weißen Gewinnstellung.

Inkorrekte Kombinationen

Im zweiten Block gilt es, kurze Varianten zu berechnen. Dabei wird der Löser auch vor die Herausforderung gestellt, gegnerische Kombinationen zu hinterfragen und wenn möglich zu widerlegen. Eine solche inkorrekte Kombination kam in der folgenden Großmeisterpartie aufs Brett:

Van Foreest (2715) – Shirov (2695), Maastricht 2022

Weiß zieht

Nach der Ablenkung 23.Sxb5 Dxb5 24.De5 steht Schwarz vor einer schweren Entscheidung. Der Turm hängt und allenthalben drohen Mattmotive (24…Ke7?? 25.Dd6+ Ke8 26.Dd8#; 24…Th6?? 25.Dg5 Dxb2+ 26.Td2+-). Shirov fand den Schwachpunkt der gegnerischen Idee:

24…c3! 25.bxc3
25.Dxf6 De2+ 26.Kh3 Dxd1
25…Db2+ 26.Kg1 (Diagramm rechts):

26…Th6!
Der einzige Zug. Hingegen hätte 26…Sd3? 27.Dxf6 Df2+ 28.Kh1 De2 29.Tb1 Sf2+ 30.Kg1 (30.Kg2? Sg4+ -+) 30…Sh3+ 31.Kh1 Sf2+= den Gewinn aus der Hand gegeben und 26…Sd7?? 27.Txd7 Kxd7 28.Dxf6 sogar die Partie komplett eingestellt.
27.h4 27.Dxc5 Dxh2+ 28.Kf1 Dh1+ 29.Ke2 Th2+ 30.Ke3 Dxd1 mit Mehrturm.
27…Sd7–+

Feedback des Trainers

Natürlich ist weder das Konzept der DVD (eine Sammlung von Kombinationen zum Selberlösen) noch die empfohlene Denkweise (Ermittlung der gegnerischen Drohungen, Auffinden der Kandidatenzüge, Priorisierung der Gewaltzüge) innovativ. Dennoch ist die Zusammenstellung von aktuellen Beispielen ansprechend und erhält einen deutlichen Mehrwert durch das interaktive Videoformat. Ris geht nicht nur auf die korrekte Lösung, sondern auch auf plausible falsche Antworten ein. Außerdem stellt er nicht selten weiterführende Fragen, die die Stellung noch besser verständlich machen. So ähnelt die Arbeit mit der DVD einem echten Training, bei dem der Trainer ein Feedback gibt und tiefergehende Nachfragen anschließt.

Breite Käuferschichten anvisiert

Links: Produktiver Schach-Autor: Robert Ris (geb. 1988)

Die Frage, für wen die DVD geeignet ist, beantwortet Ris selbst in der Einleitung, wenn er von Spielern um 1400 Elo bis hin zu Titelträgern spricht. Hier sehe ich ein konzeptionelles Problem der DVD: In vielen Trainingsbüchern und -DVDs versuchen die Autoren, einer möglichst großen Zielgruppe gerecht zu werden. Man kann dies über eine große Anzahl an Aufgaben verschiedener Niveaustufen versuchen, aber bei nur 73 Aufgaben ist es aus meiner Sicht kaum möglich, beide Ende der Skala – 1400 wie auch deutlich über 2000 Elo – angemessen zu würdigen. Die 20 Aufgaben des ersten Blocks sind für ein Niveau von 1400 Elo mit Sicherheit angemessen, doch was soll ein stärkerer Spieler damit anfangen? Ris bezeichnet sie als „warming up“ und meint, auch stärkere Spieler sollten diese einfachen Beispiele lösen: „I think it’s always important to be sharp and force yourself to train that.“ Dagegen spricht grundsätzlich natürlich nichts, doch ist es einem stärkeren Spieler zumindest schwer zu vermitteln, wieso in einer DVD für immerhin 34,90 € mehr als ein Viertel der Aufgaben so leicht sind, dass er sie in wenigen Sekunden lösen kann.

Frustration bei schwächeren Spielern

Mit dem zweiten Block steigt das Niveau merklich an: Nun sind die stärkeren Spieler in ihrem Element, während Spieler von 1400 ELO schnell an ihre Grenzen stoßen könnten. Ris sieht in der Art der Bearbeitung eine Möglichkeit zur Differenzierung: Wird ein schwächerer Spieler sich erst einmal Zug für Zug an die Lösung herantasten und sich durch die Fragen des Autors leiten lassen, kann ein stärkerer Spieler versuchen, die Aufgabe aus der Ausgangsstellung „in einem Rutsch“ komplett zu durchblicken.
Doch wäre es nicht stimmiger gewesen, von vorneherein nur eine höhere Spielstärke ins Auge zu fassen und die einfachen Aufgaben des ersten Blocks kürzer zu halten oder ganz weg zu lassen? In der vorliegenden Form könnte bei Spielern unter 1400 Elo Frustration aufkommen, wenn sie sich mit einer Aufgabe wie der folgenden auseinandersetzen sollen:

Shevchenko (2654) – Mekhitarian (2542), Olympiade Chennai 2022

Schwarz zieht und gewinnt

In der Partie ließ Schwarz mit 44…Tg3+? den Gewinn aus.
45.Kf1!
Es ist leicht zu sehen, dass andere Züge sofort verlieren: 45.Kh1?? De1+; 45.Kh2?? Th3+.
45…Dd3+ 46.Tce2!
Auch hierzu gibt es keine Alternative: 46.Ke1?? Tg1+ 47.Tf1 Txf1#; 46.Tfe2?? Df3+ 47.Tf2 Dd1#.
46…Dd1+ 47.Te1 Dd3+ 48.Tee2 Db1+ 49.Te1 Dd3+
½–½

Die beste Fortsetzung in der Diagrammstellung war aber 44…Sh3+!. Nun scheitert 45.Kg2? offenkundig an 45…Txf2+ 46.Txf2 Dxf2+ 47.Dxf2 Sxf2 mit einem für Schwarz gewonnenen Bauernendspiel. Doch Weiß verfügt über die gifte Ressource 45.Dxh3!. Die Dame ist wegen 45…Txh3?? 46.Tc8+ Ke7 47.f8D+ und Matt tabu, 45…Tg3+? 46.Dxg3 Dxg3+ 47.Kf1 Dd3+= führt nur zum Dauerschach. Um zu gewinnen muss Schwarz kühlen Kopf bewahren und die Fortsetzung 45…Dxf2+! finden: 46.Txf2 Txh3 -+.

Angenehme Art der Präsentation

„Calculation Training – Sharpen your Game“ ist eine schöne Sammlung neuer Taktikaufgaben. Robert Ris hat eine angenehme Art der Präsentation und geht auf die wahrscheinlichen Lösungsvorschläge der Leser ein. Dass man mit solch einem Format nicht das Rad neu erfinden kann, versteht sich von selbst, und die Gestaltung des Aufgabenniveaus hätte aus meiner Sicht konsequenter auf fortgeschrittene Spieler ausgerichtet werden können. Aber dies ist nur ein kleiner Wermutstropfen in einer empfehlenswerten Trainings-DVD. 

Robert Ris: Calculation Training – Sharpen your Game, Schach-DVD-Reihe Fritz-Trainer, Chessbase Hamburg

Calculation Training - Sharpen Your Game!

In diesem Videokurs wurden insgesamt 73 instruktive Beispiele ausgewählt, von denen die meisten Folgefragen enthalten, um auf insgesamt mehr als 160 Aufgaben mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad zu kommen.

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Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.
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