Interview mit Alexander von Gleich

von André Schulz
06.05.2024 – In Hamburger und auch noch in Bonner Schachkreisen ist Alexander von Gleich ein bekannter Name. Manche Schachfreunde werden aber vielleicht erst auf ihn aufmerksam geworden sein, als er zusammen mit Matthias Kirzek im Untersuchungsausschuss die Finanzlage des Deutschen Schachbundes prüfte. Als Banker hat Alexander von Gleich vor allem in Osteuropa und Kasachstan gewirkt und hat dort so manches erlebt. Davon und von anderen Erlebnissen berichtet er im Interview.

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Irgendwann in seiner frühen Jugend wurde Alexander von Gleich vom Schachvirus ergriffen. Seine Eltern, der Vater Wirtschaftsprofessor, die Mutter Professorin für Sprachwissenschaft. waren von dieser merkwürdigen Leidenschaft ihres Sohnes wenig begeistert, erlaubten aber immerhin, dass er am Kadertraining teilnehmen und Jugendturniere mitspielen durfte.

Auf einer seiner Vereinsstationen bildete Alexander von Gleich bei Union Eimsbüttel zusammen mit Hannu Wegner und dem späteren Großmeister Matthias Wahls ein sehr spielstarkes Nachwuchstrio, das den anderen Nachwuchsspielern in den verschiedenen Vereinen von Hamburg und Umgebung bei Jugendkämpfen einigen Respekt einflößte.

Schließlich landeten alle drei beim Hamburger SK. Die ältesten Aufzeichnung in der Mega Database stammen aus dem Jahr 1987. In diesem Jahr ging Alexander von Gleich in der Zweiten Bundesliga Nord im Team des Hamburger SK II auf Punktejagd.

Nach einer Banklehre führte ihn sein VWL-Studium nach Bonn. Dort war in den 1980er Jahren der Godesberger SK der führende Schachclub. Alexander von Gleich trat nun ab der Saison 1988/89 für die erste Mannschaft des Godesberger Schachklubs in der Zweiten Bundesliga West an. Mit Anton Braun bekam der Verein damals einen ehrgeizigen Vorsitzenden und Sponsor, der die Mannschaft als Privatsponsor sukzessive verstärkte und in der Saison 1999/2000 schließlich, nach langem vergeblichen Bemühen, bis in die Erste Bundesliga führen konnte.

Der ebenfalls sehr ehrgeizige Alexander von Gleich war aber schon mit der Saison 1991/92 zur SG Bochum gewechselt, nachdem dort die von Norbert Franke betreute erste Mannschaft 1990/91 den Aufstieg in die Erste Bundesliga geschafft hatte. Bei Bochum spielte er unter anderem mit Yury Dokhojan zusammen, der später der Sekundant von Garry Kasparov wurde. Das Bochumer Zwischenspiel dauerte jedoch nur 2 Jahre und in der Saison 1994/95 ist Alexander von Gleich wieder in der Godesberger Zweitliga-Mannschaft zu finden. Seine letzte Partie für Godesberg spielte er 1998.

Neben den Mannschaftskämpfen nahm Alexander von Gleich an einer Reihe von Open teil und durfte zweimal an Großmeister-Einladungsturnieren teilnehmen, die der Godesberger Schachklub 1993 und 1995 organisiert hatte. Das Turnier von 1995 war insofern bemerkenswert, als Alexander von Gleich die Teilnahme des ChessBase Software-Programms "Fritz" vermittelt hatte. Es handelte sich um die Version "Fritz 3", die eine gewisse Bekanntheit erlangt hatte, nachdem das Programm bei der Computer-Weltmeisterschaft Hongkong den Vorläufer des IBM-Programms Deep Blue besiegen konnte und Computer-Weltmeister wurde.

Mitte der 1990er Jahre war das Studentenleben für Alexander von Gleich vorbei und für Schachturniere gab es keine Zeit mehr. In seiner Schulzeit am Christianeum hatte Alexander von Gleich ein wenig Russisch gelernt und so führten ihn seine Bankausbildung und seine Russisch-Kenntnisse nach Osteuropa. Er arbeitete nun für eine Unternehmensberatung, die für die Weltbank tätig war. Seine Arbeitspätze befanden sich nun in Orten wie Moskau, Nowosibirk oder Samara, der Heimatstadt nicht nur von Polugaejewski sondern auch Yuri Yakovich, des heutigen DSB-Damentrainers. Dann gründete Alexander von Gleich im Auftrag seines Arbeitgebers eine Bank, die MBG Microfinance Bank of Georgia, später ProcreditBank in Georgien und wurde Generaldirektor. In Tiflis lernte Alexander von Gleich auch seine Frau Nino kennen, sie haben drei erwachsene vielsprachige Söhne, hinzu kommt  die georgische Großfamilie.

Tiflis war aber nur eine Zwischenstation der beruflichen Karriere im "Osten". Alexander von Gleich war zunächst erneut in Moskau tätig und zog schließlich mit seiner Familie noch weiter östlich, nach Kasachstan. Seine Aufgabe war zunächst die Sanierung von notleidenden Banken. Dort und auch angrenzenden Ländern wie Usbekistan fand Alexander von Gleich neue Betätigungsfelder im Banksektor. Unter anderem ist er jetzt im Aufsichtsrat verschiedener Unternehmen tätig.

Keine Zeit fürs Turnierschach zu haben, bedeutet aber ja nicht, keine Zeit fürs Schach zu haben. Als dauerhaft Infizierter war Alexander von Gleich Stammkunde bei verschiedenen Versandhändlern für Schachbücher und hatte mit seinen Sprachkenntnissen auch Zugang zur russischen Schachliteratur.

In Batumi war die von ihm geleitete Bank MBG ( die spätere Procredit) ein kleiner Sponsor des  bedeutenden Schachwettkampfes "Asien vs. Europa", an dem auch der damalige Weltmeister Garry Kasparov teilnahm. In Moskau fand Alexander von Gleich ab 2014 Zugang zu einem exquisiten Zirkel von Schachfreunden, der sich regelmäßig in einer Moskauer Wohnung vor allem zum Tandem-Spiel traf. Der ehemalige Weltklasse-Großmeister Joel Lautier gehörte auch dazu.

Und auch in Kasachstan traf Alexander von Gleich auf andere Schach-Infizierte und bemühte sich mit Geschäftsfreunden, den kasachischen Schachnachwuchs zu fördern. In einem Joint Venture mit ChessBase wird dort gerade das Kinder-Lernprogramm "Fritz & Fertig" ins Kasachische übersetzt. Es geht dabei nicht nur darum, Kindern Schach beizubringen. Auch die in den Zeiten der sowjetischen Russifizierung zurückgedrängte kasachische Sprache soll gefördert werden.

Als der Deutsche Schachbund ein großes Defizit in seinen Finanzen feststellte und Fachleute für einen internen Untersuchungsausschuss suchte, bot Alexander von Gleich sich dafür an. Zusammen mit Matthias Kirzek verfasste er ausführlichen Bericht darüber, warum die Rücklagen des Schachbundes geschrumpft waren und welche strukturellen Mängel es im Finanzwesen des Schachbundes gibt.

Inzwischen ist Alexander von Gleich wieder in Hamburg ansässig, pendelt aber regelmäßig nach Kasachstan. Wenn er in Hamburg ist, nimmt er auch wieder an Mannschaftskämpfen teil. Sein Team ist die Mannschaft des Schachklubs Johanneum Eppendorf. SKJE spielt in der Oberliga und konnte in diesem Jahr die Staffel sogar gewinnen. In den Qualifikationsmatches um den Aufstieg in die Zweite Bundesliga konnte die Mannschaft sich aber gegen Kirchweye II, Rüdersdorf und Kreuzberg nicht durchsetzen.

In einem Gespräch mit André Schulz berichtet Alexander von Gleich von seinen umfangreichen Aktivitäten und erzählt auch ein paar Geschichten aus dem "wilden Osten" und vom Leben in Russland und Kasachstan. Auch seine Untersuchungen zu den Finanzen des DSB kommen zur Sprache.


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.
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