Topalovs "Toilettenkrieg"

von ChessBase
26.01.2007 – In ihren Angriffen gegen Kramnik gibt Topalov und sein Team keine Ruhe. Einen Tag vor dem erneuten Aufeinandertreffen der beiden Kombattanten beim Corus-Turnier in Wijk wurde ein Buch der Öffentlichkeit vorgestellt, das sich mit den Umständen und Vorgängen des WM-Kampfes in Elista beschäftigt. Geschrieben hat es der bulgarische Journalist Zhivko Ginchev, der in Elista als Presseattaché des Topalov-Teams tätig war und nun als Presssprecher für Silvio Danailovs Agentur "Kaissa" arbeitet. Das Buch erscheint mit einer Auflage von 20.000 Stück und zeigt sich im Inhalt offenbar nicht immer völlig geschmackssicher. Dagobert Kohlmeyer berichtet in seinem Report außerdem von den Bemühungen Topalovs um ein Rematch und der Solidaritätsaktion der Bulgaren für die verurteilten bulgarischen Krankenschwestern in Libyen. Mehr...

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Der Schach-Krieg geht weiter
Von Dagobert Kohlmeyer

In Sofia erschien am heutigen Freitag das Buch „Toilettenkrieg“ des bulgarischen Journalisten Zhivko Ginchev. Die Auflage beträgt 20 000, der Untertitel lautet „Ein Schachdrama in 13 Akten“. Das Buch beschreibt die 12 WM-Partien zwischen Kramnik und Topalow in Elista und den anschließenden Tiebreak. Um Schach geht es darin weniger (lediglich die Notation der Partien ist abgedruckt), den Autor interessieren mehr die ominösen Begleitumstände des Duells in der Steppe sowie die heftigen Auseinandersetzungen der Protagonisten.

Das Herausgabedatum wurde nicht zufällig gewählt. Einen Tag vor der brisanten Partie Topalow – Kramnik im Corus Turnier von Wijk aan Zee starten die Bulgaren damit ihre nächste Aktion außerhalb des Bretts. Auch in den Tagen davor war besonders Manager Silvio Danailow in Holland nicht untätig. Wir beobachteten die Aktivitäten des Topalow-Teams in Wijk aan Zee.

17. Januar: Ruhetag beim Corus Turnier. Teimur Radjabow führt das Feld an, die Favoriten Topalow, Kramnik und Anand haben noch nicht zur Verfolgungsjagd angesetzt. Derweil sitzen die Organisatoren der großen Schachturniere zusammen und geben danach die Gründung der Grand Slam Chess Association bekannt. Diese möchte ähnlich wie im Tennis eine Turnierserie etablieren. Die drei Sieger der Wettbewerbe in Wijk aan Zee, Linares und Sofia sollen dann zusammen mit einem weiteren Spieler im Herbst 2008 Masters Turnier austragen. Dieses Superfinale soll im spanischen Bilbao gespielt werden.

Nach Informationen von Silvio Danailow findet das „Mobitel Masters“ in Sofia dieses Jahr vom 9.- 20. Mai statt. Bisher sind vier Spieler unter Vertrag: Topalow, Adams, Kamsky und Mamedjarow. Zwei Hochkaräter fehlen noch. Es gibt Probleme mit den Top-Spielern, weil etliche wegen der WM-Kandidatenkämpfe, die Ende Mai in Elista beginnen, nicht zur Verfügung stehen. Kramnik und Anand kommen auch nicht, so dass Sofia wohl nicht den Glanz der ersten Jahre haben wird.

18. Januar:  In Runde 5 macht Weselin Topalow positive Schlagzeilen, auch außerhalb der 64 Felder. Er erscheint vor Spielbeginn mit einer Schleife am Jackett. Auch Danailow und ein anderer Landsmann tragen eine solche. Damit unterstützen sie die Initiative zur Rettung bulgarischer Krankenschwestern, die in Libyen im so genannten HIV-Prozess zum Tode verurteilt worden sind. Seit Jahren sitzen sie dort im Gefängnis. In dem Krankenhaus, wo die Schwestern arbeiteten, gab es eine HIV-Epidemie, in der nach libyschen Angaben 393 Kinder infiziert wurden, etwa 40 seien schon an den Folgen von Aids gestorben.

Während von Libyen der Verdacht erhoben wurde, dies sei mit Absicht geschehen, verweist die bulgarische Seite auf die hygienischen Verhältnisse des Krankenhauses. Topalows symbolische Schleife in den Farben der bulgarischen Fahne trägt die Aufschrift Не сте сами (Ihr seid nicht allein) auf Bulgarisch und Englisch. Die Initiative wird von allen Medien des Balkanlandes mitgetragen.

19. Januar: Spielerhotel „Zeduin“. Das Team Topalow sitzt beim Abendessen. Außer Weselin, Manager Danailow und Sekundant Tscheparinow sind keine anderen Gäste im Restaurant zu sehen. Draußen peitscht der Regen ans Fenster. Nach dem Dessert verabschiedet sich Tscheparinow schnell und geht auf sein Zimmer. Er will etwas analysieren. Danailows Handy klingelt. Er erhält einen Anruf aus Sofia. Es ist die Bestätigung für die zweite Bankgarantie. Zwei Millionen US-Dollar für das WM-Revanchematch Topalow- Kramnik liegen bereit. Triumphierend lächelt der Manager. Seit Mitte Dezember liegt das Angebot der Bulgaren zum Re-Match in Sofia auf dem Tisch der FIDE. Lange kam keine Antwort darauf. Nach einem offenen Brief Danailows reagierte der Weltschachbund endlich. Die erste Bankgarantie der Bulgaren wurde von den FIDE-Oberen jedoch nicht anerkannt.

An diesem Abend meldet sich die Bulbank in Sofia per Telefon, später per Fax. Sie hat zwei Millionen Dollar hinterlegt. Danailow erklärt: Der Preisfonds beträgt 1,5 Millionen. Eine Million ist für Weltmeister Kramnik, eine halbe für den Herausforderer. 300 000 Dollar erhält die FIDE. Die Bankgarantie ist gültig bis zum 30. April. Danailow schickt das Dokument sofort an die FIDE.

 

Ob das Match allerdings in den nächsten Monaten stattfinden kann, steht in den Sternen. Beide Spieler haben für das erste Halbjahr 2007 feste vertragliche Verpflichtungen: Topalow spielt in Morelia und Linares, Kramnik in Monaco und dann in Miskolc gegen Peter Leko. Es ist nicht nur das Zeitfenster (das Match soll ein halbes Jahr vor dem nächsten WM-Turnier in Mexiko über die Bühne gehen), was kaum zu realisieren sein wird. Da waren die bösen Attacken von Elista und Topalows Ausfälle gegen Kramnik nach dem Match, vor allem in der spanischen Presse. Danailow versucht, die Sache herunter zu spielen: „Das war ein Dummkopf, ein spanischer Lokaljournalist, dem man im ersten Mal im Leben die Chance gab, eine große Story zu veröffentlichen. So hat es Weselin nicht gesagt. Der Schreiberling weißt nicht, wie man ein Interview richtig macht. Er hat den Text auch nicht zum Autorisieren geschickt. Da ist in diesem Falle nicht geschehen“

Kramnik-Manager Carsten Hensel hingegen sagte uns in Wijk: „Es existiert ein Tonband-Mitschnitt von dem Topalow-Interview. Er beweist, dass die beleidigenden Äußerungen gefallen sind. Die Ethik-Kommission der FIDE hat die Sache auf dem Tisch. Der Krieg beider Partien geht erst einmal weiter. An diesem Wochenende tagt das FIDE Presidential Board in Antalya. Man darf gespannt sein, was sie ausbrüten, auch im Hinblick auf ein mögliches WM-Revanchematch. Carsten Hensel vertritt dort den Weltmeister, der ja in Wijk spielen muss – pikanterweise gegen Topalow!

26. Januar: Das Buch „Toilettenkrieg“ erscheint einen Tag vor der spektakulärsten Partie von Wijk. Es dokumentiert in Wort und Bild die dramatischen Ereignisse von Elista, gibt die O-Töne der Spieler bei den Pressekonferenzen sowie den Schriftwechsel Danailows mit der FIDE wieder. Die Qualität der Fotos reißt einen nicht vom Hocker, aber zwei Karikaturen, die uns auffielen, wollen wir unseren Lesern nicht vorenthalten.



 

Autor Zhivko Ginchev war in Elista als Presseattaché dabei, gehörte zum Team der Bulgaren. Der 45-jährige Journalist arbeitete früher in Sofia bei verschiedenen Zeitungen und war seit 2001 in der PR-Abteilung von Mobitel tätig. Jetzt ist er Sprecher von Topalow und in Danailows Firma „Kaissa“ als PR-Mann beschäftigt.

Auf der Rückseite des Buchs steht: „Schach hat den Ruf eines ruhigen Spiels, bei dem es keine Tritte auf die Knöchel oder blutige Ellenbogen gibt. Doch im gottvergessenen Elista erschallten die Salven des Toilettenkrieges.“ Kramniks zahlreiche Toilettengänge werden vom Autor als „biotechnologisches Gift“ bezeichnet, das er gegen Weselin Topalow einsetzte.

Papier ist geduldig, das Schachleben geht indessen weiter. An dem Abend im Spielerhotel von Wijk aan Zee spürt der Berichterstatter bei Topalow jedenfalls so etwas wie einen Anflug von Bedauern über das in Elista Vorgefallene. Der Weltranglisten-Erste sagt: „Wir hätten niemals mit einer so heftigen Reaktion, mit einem solchen gewaltigen Echo und Gegenwind auf unseren Protest gerechnet.“

Einig sind wir uns am Ende darüber, dass es auf alle Fälle besser ist, durch sportliche Leistungen am Brett Schlagzeilen zu machen, als mit solchen Skandalgeschichten. Und das tut Topalow ja glücklicherweise wieder, er führt in Wijk die Tabelle an. Am Samstag sprechen erneut die Figuren zwischen Kramnik und Topalow – und das ist gut so!

 

 

 

 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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