Kurz vor dem Turnier war gerade das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Klage Berlins gegen den Bund
ergangen, in der die Hauptstadt angesichts ihrer Schulden weitere finanzielle
Zuwendungen durch den Bund erzwingen wollten. Bürgermeister Wowereit reagierte
enttäuscht auf den Beschluss des Gerichts, die Klage mit der Begründung, Berlin
sei gar nicht pleite und könne noch sparen, abzuweisen. Nach der Logik des
Länderfinanzausgleich werden die die Einrichtungen, die in Berlin (und anderswo)
entstehen und dort genutzt werden, von Bürgern in Bayern, Nordrheinwestfalen,
Baden-Württemberg, Hessen oder Hamburg bezahlt. Berlin hat seit 1995 jedes Jahr
etwa 2,5 Mrd. Euro von den so genannten Geberländern erhalten, kommt damit aber
einfach nicht aus. Dabei können Bürger aus Bayern, Nordrhein-Westfalen,
Baden-Württemberg, Hessen oder Hamburg doch überall in Berlin sehen, wie gut und
sinnvoll ihr Geld dort verwendet wurde. Nicht nur am Hauptbahnhof. Beispiele
gibt es überall.
Der U-Bahnhof am Wittenbergsplatz neben dem KDW
Im Innern konnte das einstige Jugendstilambiente fast völlig nachempfunden
werden
Sogar für die alten Werbetafeln wurde gesorgt.
Das neue Kranzlereck - hohe Glasfassaden in Spoilerarchitekur
Keine andere Stadt in Deutschland präsentiert so intensiv deutsche Geschichte
wie Berlin.
Am Kurfürstendamm ist unter dem
Titel "History of Berlin", gemeint ist "Geschichte Berlins", eine interessante
und atmosphärisch dichte Ausstellung zur Berliner und damit deutschen Geschichte
zu sehen. Neben historischen Informationen und Szenen ist vor allem der Besuch
in einem Atomschutzbunker beeindruckend.
Heile Welt: Der Flöte spielende preußische König
Nachdem die Nazis die Macht übernommen hatten, wurde ein Großteil der deutschen
Intelligenz in "Schutzhaft" genommen, vertrieben oder umgebracht. Die Folge von
Rassen- und Größenwahn waren völlige Zerstörung, Teilung und Besetzung, die de
facto bis 1990 andauerte.
Kurt Tucholsky
Besetzung Berlins
Die Mauer
Für Ostalgiker: Blick in ins Trabi-Cockpit
Wohnstube der Sechziger
Im Kalten Krieg kam es zum atomaren
Patt der Blöcke. Als Schutz vor einem möglichen "Atomschlag" gab es in auch in
Berlin Atomschutzbunker, allerdings nur für 20% der Bevölkerung, 20.000 Bürger.
Der Bunker am Kurfürstendamm in einer früheren Tiefgarage bietet Unterkunft,
vielleicht auch Schutz für 3600 Menschen.
Vier Waschräume für 3600 Leute
Bettenlager
Aktentascheninstallation
In den Fünfziger Jahren wurde
empfohlen, bei einem Atomschlag in der Nähe im Haus zu bleiben. Falls man sich
im Freien befände und keinen Unterschlupf fände, soll man sich zum Schutz eine
Aktentasche über den Kopf halten.
Die Wasservorräte im Bunker reichen für 14 Tage. Danach müssen die
Schutzsuchenden wieder hinaus und werden von Reisebussen abgeholt und in
unverstrahlte Gegenden gebracht, so die damalige Planung.
Das 16. Politikerschachturnier
Zwar fehlten in diesem Jahr die ganz hochrangigen Politiker, doch
mit knapp 60 Teilnehmern war das Turnier gut besetzt. Auch das Niveau schien
insgesamt etwas angehoben. So entpuppte sich der Dresdner Organisator Dirk
Jordan, der zusammen mit dem Deutschen Schachbund und Katja Breuer vom
Organisationsbüro, die Gelegenheit nutzte, um auf die Schacholympiade 2008 in
Dresden aufmerksam zu machen, als Dresdner Stadtrat und nahm ebenfalls am
Turnier teil.
Seppelt und Dr. Jordan
Metzing, Schlya, Breuer und Dr.Jordan
Horst Metzing und Katia Breuer
Dr. Jordan am Brett
Mit Volker Wildt, Dietmar Lingemann und Ralf
Seibicke waren einige der bisherigen Sieger am Start.
Volker Wildt
Dietmar Lingemann
Ralf Seibicke mit Begleitung
Die Referentin im Kanzleramt Dr. Stephanie Bauer war früher sogar in der Zweiten
Frauenbundesliga aktive.
Dr. Stephanie Bauer und Josef König. Beide spielten früher in Straubing
Dr. Stephanie Bauer, jetzt in Potsdam aktiv
Volker Wildt und Josef König erinnerten sich daran, dass sie vor 19 Jahren im
Dähnepokal gegeneinander gespielt hatte. Nach Remis gewann Wildt die
Blitzpartien.
Viele weitere Vereinsspieler gingen an den Start.
Hinzu kamen einige Mitglieder der Botschaften, die ebenfalls ein gutes
Spielniveau hatten. Überraschungssieger wurde dann auch der schwedische Diplomat
Jan Lundin, mit dem Dagobert Kohlmeyer ein Interview führte (s.u.). Gespielt
wird in drei Leistungsgruppen, wobei die schwächeren Spieler einen Zeitbonus
bekommen.
Vertreter der Mongolei
Hans-Christian Ströbele
Politikerschachveteranen
Andrew MacMillan von der britischen Botschaft denkt nach
Der Anteil an Schach spielenden Politikerinnen ist ebenfalls gesteiegn
Organisiert wird das Turnier vom Ehrenvorsitzenden des BSV Alfred Seppelt
zusammen mit dem Berliner Schachverband.
Alfred Seppelt
Neben dem Vorsitzenden des BSV, Dr. Matthias
Kribben, ist in jedem Jahr ist auch die Führung des Deutschen Schachbundes
mit ihrem Präsidenten Alfred Schlya und Geschäftsführer Horst Metzing present.
Die technische Leitung hat Dr. Joachim Fechner mit seinen beiden Schiedsrichtern
Werner Koch und Martin Sebastian.
Martin Sebastin, Dr. Joachim Fechner
Die Gastgeber: Seppelt, Kribben, rechts: Schlya und Dr. Jordan
Als Gastgeber fungiert seit vielen Jahren das
Hotel Berlin, das sich nun Hotel Berlin, Berlin nennt.
Hotelmanager Oliver Heldt ließ es sich nicht
nehmen, jeden Teilnehmer persönlich zu begrüßen.
Hotelmanager Oliver Heldt
Als Co-Sponsor trat Daimler Benz auf und stellte
einen Wagen aus dem aktuellen Produktangebot aus. Zur Enttäuschung der
anwesenden Spieler und Journalisten wurde der Wagen leider weder als Preis für
die schönste Partie noch als Prämier für das beste Foto ausgelobt. Katia Breuer
vom Organisationsbüro ließ sich zu einem Gemeinschaftsfoto überreden, wollte
sich aber nicht wie gefordert auf die Motorhaube setzten, weil sie Angst hatte,
diese einzubeulen.
Schwedischer Diplomat gewinnt Schachturnier der Politiker in Berlin
Von Dagobert Kohlmeyer
Sieger des
Turniers „Politiker spielen Schach“ in Berlin wurde am Sonntag Jan Lundin aus
Schweden. Der 43-jährige Botschaftsgesandte erzielte 6,5 Punkte aus 7 Partien
und verwies den Präsidenten des Landesrechnungshofes von Sachsen-Anhalt, Ralf
Seibicke (6,0 Punkte) auf den zweiten Rang. Damit gewann bei der 16. Auflage des
Traditionsturniers zum ersten Mal ein ausländischer Politiker.
Den dritten
Platz belegte mit 5,5 Punkten der Grünen-Abgeordnete Dietmar Lingemann aus
Berlin. Lingemann hatte das Turnier der Politgrößen vor zwei Jahren gewonnen.
Beste Dame wurde mit 4,0 Punkten die Referentin im Kanzleramt, Dr. Stephanie
Bauer. Insgesamt nahmen 57 Politiker aller Fraktionen an dem Schachturnier teil,
darunter fünf Frauen.
Erstmalig
dabei war Dr. Dirk Jordan, Cheforganisator der Schacholympiade 2008 in Dresden,
der auf Anhieb Fünfter wurde und sich über Fritz 9 als Preis freute.
Dr. Dirk Jordan gehört auch zu den Preisträgern
Die
Nordlichter aus Schleswig-Holstein glänzen diesmal nicht so hell wie 2005.
Titelverteidiger Heinz-Georg Roth, Bürgermeister von Wyk auf Föhr, fehlte. Für
den Co-Sieger des Vorjahres, Edmund Lomer aus Eckernförde, reichte es nur zu 50
Prozent und Platz 29.
Herwig Haase und Edmund Lomer
„Das Unterbewusstsein spielt mit!“
Interview mit dem Sieger Jan Lundin
Von Dagobert Kohlmeyer
Bei der 16.
Auflage des Politiker-Turniers in der Hauptstadt tauchte mit Jan Lundin ein
neues Gesicht auf. Der 43-jährige Gesandte an der schwedischen Botschaft in
Berlin stahl allen etablierten Cracks die Show und wurde souveräner Sieger.
Grund genug für unseren Hauptstadtreporter, mit ihm zu sprechen.
Jan Lundin, Sieger
Herzlichen Glückwunsch! Hätten Sie bei Ihrer Premiere mit dem
Sieg gerechnet?
Ich wusste
gar nicht, welche Gegner mich erwarten, wie stark sie sein würden. Darum bin ich
froh, dass mir der Sieg gelungen ist.
Welches war Ihre schwerste Partie?
Mit Schwarz
in der vierten Runde. Wir hatten beide Zeitnot, und ich habe einen Bauern
eingestellt. Danach hat mein Gegner aber noch mehr gepatzt und einen ganzen Turm
verloren. Das war die Entscheidung.
Hans-Christian Ströbele
Im letzten Durchgang hatten sie Dietmar Lingemann einen starken
Gegner.
Ja, ich spielte das Weressow-System gegen die g6-Aufstellung, das nicht ohne
Gift ist. Ich habe die Stellung bekommen, die ich wollte und konnte gewinnen.
Nicht nur für mich als langjährigen Beobachter sind Sie ein ganz
neues Gesicht. Wie lange sind Sie schon in Berlin?
Knapp zwei
Monate. Ich stamme aus Karlskoga, einer kleinen Stadt zwischen Göteborg und
Stockholm.
Wie haben Sie von dem Turnier erfahren?
Ich bekam
einen Brief von Herrn Seppelt mit der Einladung.
Wenn Sie so stark sind, haben Sie sicher zu Hause in einem
Schachklub gespielt?
Ja. In
letzter Zeit spielte ich sehr aktiv, soweit es meine Arbeit erlaubte. Vor ein
paar Monaten habe ich auch mal ein Wochenend-Turnier bestritten.
Werden Sie auch in Berlin in einen Schachverein gehen?
Warum
nicht? Noch habe ich das nicht getan. Mal sehen, wie ich Zeit habe.
Was fasziniert Sie an unserem Spiel?
Dass man
alles um sich vergisst und in eine eigene Welt eintaucht. Wenn man Schach
spielt, denkt man nicht an andere Dinge. Probleme der Arbeit oder der Familie
bleiben außen vor. Diese totale Konzentration auf eine Sache finde ich sehr
schön.
Was gibt Ihnen das Schach noch?
Schach ist
auch interessant, weil man sehr viel über sich selbst erfährt. Man lernt dabei
eine Menge über das eigene Gehirn.
Dr. Stephanie Bauer
Inwiefern?
Ich meine,
wir erfahren, wie unser Kopf arbeitet. Es geht nicht nur um die Aufmerksamkeit,
die beim Schach ganz wichtig ist. Auch das Unterbewusstsein spielt ja in jeder
Partie mit. Das finde ich interessant und spannend.
Gibt es Parallelen zwischen Schach und Politik?
Nicht so
viele, wie oft geglaubt wird. Sicher sind Strategie und logisches Denken auch
dort gefragt. Aber ich bin der Meinung, unser Leben und auch die Politik sind
viel komplizierter als Schach.
Aber Schach kann doch hilfreich sein?
Sicher.
Schach ist ein Spiel, bei dem Ideen und Phantasie gefragt sind. Diese braucht
man in anderen Bereichen auch. Nur, man macht einen Fehler, wenn man denkt, das
Leben ist so wie Schach.
Ralf Seibecke dankt Alfred Seppelt im Namen der Teilnehmer für die Organisation