Interview mit Veselin Topalov vor seinem Match gegen Gata Kamsky
Von Dagobert Kohlmeyer
In Sofia findet ab Montag, dem 16. Februar, das mit
Spannung erwartete WM-Kandidatenfinale zwischen Veselin Topalov und Gata Kamsky
statt. Der bulgarische Exweltmeister und der amerikanische Großmeister spielen
um 250.000 Dollar sowie das Recht, Weltmeister Viswanathan Anand (Indien) noch
in diesem Jahr herauszufordern. Während das Topalov-Team schon seit einer Woche
in Sofia ist, wird Kamsky am Donnerstag dort erwartet. Dagobert Kohlmeyer sprach
mit Veselin Topalov.
Ihr Duell gegen Kamsky sollte eigentlich schon im
vergangenen November in Lwow über die Bühne gehen. Stattdessen spielten Sie
beide zur Schacholympiade in Dresden. Wie kam es dazu?
Wir wurden vorher lange hingehalten, und als das Match in
der Ukraine geplatzt war, konnte ich in Dresden meinem Team und Kamsky der
USA-Mannschaft helfen. Es war klar, dass sie in Lwow in letzter Minute beim
besten Willen keinen guten Kandidaten-Wettkampf mehr organisieren würden.
In Dresden kassierte Bulgarien zu Beginn gegen das
deutsche Jugendteam eine Niederlage. Ihr Kommentar dazu?
Die deutschen Jungs haben sehr clever gespielt. Ich
pausiere bei der Olympiade eigentlich immer in den ersten Runden, wenn wir nicht
so starke Gegner haben. Einige aus unserer Mannschaft waren in Dresden
offensichtlich nicht in bester Form. Mit meiner eigenen Leistung bin ich
zufrieden, ich erzielte bei der Schacholympiade das drittbeste Ergebnis am
ersten Brett.
Zurück zum Kandidatenmatch. Was ist vorher mit dem
Austragungsort Lwow schiefgelaufen?
Die andere Seite hat nur geredet und nichts getan. So
verging die Zeit, und nichts passierte. Die ukrainischen Organisatoren haben den
Fehler gemacht und nur leeren Worten eines Betrügers geglaubt, der 750 000
Dollar auslobte. Die Fakten sprechen eine deutliche Sprache. Sie und die FIDE
versäumten es, die Sache kritisch zu prüfen, es gab keine Bankgarantie usw.
Jetzt liegt jedoch sehr viel weniger Geld auf dem
Tisch…
Das stimmt, aber es ist ja kein WM-Finale. Ich bin bereit,
das Match zu spielen. Natürlich wäre auch mir ein größerer Preisfonds lieber,
doch mehr als 250 000 Dollar waren in Bulgarien wegen der Krise nicht
aufzutreiben. Den größten Teil hat das Sportministerium zur Verfügung gestellt,
der Rest kommt von privaten Sponsoren. Dieses Geld ist sicher. Darum konnten
Kamsky und ich in Dresden den Vertrag über das Match unterschreiben.
Wie verlief Ihre Vorbereitung?
Ich denke, in den vergangenen Monaten alles Nötige getan zu
haben. Im Dezember gewann ich das erste Superturnier im chinesischen Nanking,
das hervorragend organisiert war. Dadurch konnte ich meinen Platz als Erster der
Schach-Weltrangliste festigen. Anschließend widmete ich mich in Spanien ganz der
Präparation auf das Duell von Sofia.
Sind Sie topfit für den Wettkampf?
Das bin ich. Es ist ganz wichtig, dass ich mich in Sofia in
Bestform so wie im Herbst präsentiere. Um schachliche Höchstleistungen zu
bringen, musst du körperlich und mental bestens gerüstet sein. In meinem Alter
sehe ich da auch noch keine Probleme. Anand ist sechs Jahre älter als ich und
spielt auf höchstem Niveau.
Welche Großmeister werden in Sofia Ihre Sekundanten
sein?
Wir haben drei Trainer verpflichtet: Meinen Landsmann Ivan
Cheparinov, den Spanier Franzisco Vallejo und den Holländer Erwin L’Ami.
Wie beurteilen Sie Ihre Chancen gegen Gata Kamsky?
Ich erwarte kein leichtes Match. Es wird ein sehr harter
Fight, doch ich bin überzeugt, dass ich gewinne. Weil es nur acht Partien sind,
darf man sich allerdings keinen Ausrutscher leisten. Ich muss deshalb
hochkonzentriert sein. Mein ELO-Vorteil allein wird zum Sieg nicht reichen.
Was zeichnet Ihren Kontrahenten aus?
Gata Kamsky ist ein großer Kämpfer und hat eiserne Nerven.
Nach einer längeren Spielpause ist er wieder in der Weltspitze angekommen. Er
wird mir ganz sicher gehörig zusetzen. Ich habe in der Vorbereitung versucht,
die Schwachstellen in seinem Spiel zu finden. Ob ich sie ausnutzen kann, wird
der Wettkampf zeigen.
Ist es ein Vorteil für Sie, zu Hause in Sofia zu
spielen?
Ein Heimspiel ist immer angenehm, vor allem, wenn es
erfolgreich verläuft. Auf der anderen Seite kann es aber auch ein Nachteil sein,
denn die Erwartungen meiner Landsleute sind sehr groß, und der Druck ist viel
höher. Das bin ich schon vom M’tel Masters in Bulgarien gewöhnt. Ich hätte das
WM-Kandidatenmatch auch ohne weiteres im Ausland gespielt.
Die FIDE experimentiert ständig mit dem Reglement bei
der Ermittlung des Schachweltmeisters. Welcher Modus ist Ihnen persönlich am
liebsten?
Ich kenne aus eigener Erfahrung alle drei Versionen: den
Zweikampf, die Turnierform und das K.-o.-System. Alle diese Formate sind für
mich in Ordnung, aber ein begonnener Zyklus muss auch zu Ende gebracht werden.
Das ist das Wichtigste. Wenn der Weltverband in einem laufenden Wettbewerb
einfach die Regeln ändert, wie er es in den vergangenen Jahren schon oft getan
hat, wird er unglaubwürdig. Die FIDE muss sich dann nicht wundern, wenn
Top-Spieler aus dem WM-Karussell aussteigen.