Fernschach: Deutsche Spitze spitze

von ChessBase
02.06.2008 – Die deutsche Mannschaft gewann vorzeitig die 13. Fernschacholympiade. Mit 38:21 Punkten ist Deutschland nicht mehr einzuholen, obwohl die Ergebnisse einiger Partien noch ausstehen. Am Erfolg der Mannschaft maßgeblich beteiligt war auch die Verbandsführung. Sowohl der Präsident des Deutschen Schachbundes Prof. Dr. Robert von Weizsäcker wie sein Vize Dr. Matthias Kribben gehörten zum Team. Dagobert Kohlmeyer berichtet vom deutschen Erfolg und sprach mit Robert von Weizsäcker.BdF...ICCF...Bericht, Interview, Partien...

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Fernschach-Gold als Steilvorlage für die Olympiade in Dresden
Von Dagobert Kohlmeyer

Bei der Schacholympiade in Dresden gehören die deutschen Teams nicht zu den Favoriten. Dennoch können wir schon einen Olympiasieger 2008 vermelden! Vor wenigen Tagen machten Fritz Baumbach, Robert von Weizsäcker und ihre Mitstreiter mit dem deutschen Team den vorzeitigen Sieg bei der Fernschach-Olympiade perfekt. Einige Partien laufen noch, aber das mit 38:21 Punkten deutlich führende deutsche Sextett kann nicht mehr eingeholt werden.


v.l.n.r.: Siegfried Kluve, Dr. Martin Kreuzer, Dr. Fritz Baumbach, Prof. Dr. Robert von Weizsäcker,
Roland Pfretzschner und Dr. Matthias Kribben.

Robert von Weizsäcker kam gerade aus einer Vorlesung an der TU München, als er die freudige Kunde hörte: Deutschland ist Fernschach-Olympiasieger! Der Ökonomie-Professor gehört als Großmeister dem Team an, das die 13. Olympiade in dieser Disziplin souverän gewonnen hat. Gemeinsam mit dem Präsidenten des Deutschen Schachbundes freuen sich nicht nur die fünf Spieler, die alle schon ihre Meriten im Fernschach haben. Besonders der Berliner Fritz Baumbach, Fernschachweltmeister von 1988, der 1996 bereits Olympiagold sowie zuvor mit der DDR Bronze holte. Baumbach, die Fernschachlegende unseres Landes schlechthin, sagt: „Es ist für mich ein erhebender Augenblick, am Ende meiner Laufbahn noch einmal Olympiasieger geworden zu sein. Besonders stolz macht mich, dass ich am ersten Brett 6,5 Punkte aus 10 Partien geholt habe“. Als Präsident des Deutschen Fernschachbundes wird der heute 72-jährige Patentingenieur nicht müde, für das Spiel der Könige zu werben. Der Mann ist hyperaktiv, spielt auch noch viel Nahschach, neben seinen Partien im Klub SC Friesen-Lichtenberg z. B. auch bei den Senioren und im Berliner Betriebsschach.

Kapitän des deutschen Teams ist Matthias Kribben, der die Truppe immer zusammenhielt und mit 7,5 Punkten eine weitere Fernschach-Großmeisternorm erzielte.

Der DSB-Vizepräsident verweist auf die besondere Tradition des Fernschachs hierzulande. Mit 3000 Mitgliedern ist der Deutsche Fernschachbund der weltweit größte nationale Verband. Selbst der russische ist kleiner, nachdem die Sowjetunion in viele Teilstaaten zerfallen ist.

Kribben nennt noch ein anderes Kuriosum. In seinem Erfolgsteam spielte Roland Pfretzschner (SK König Plauen), der 1978 Jugendmeister der DDR war, während Kribben im gleichen Jahr westdeutscher Jugendmeister im Fernschach wurde. Jetzt haben die beiden drei Jahrzehnte später zusammen den Olympiasieg für das vereinte Deutschland errungen.

Das Spielniveau im Fernschach ist sehr hoch. Nicht nur, weil im Gegensatz zum Nahschach Hilfsmittel wie Computer oder Fachliteratur verwendet werden dürfen. Die Spieler brüten zu Hause neue Züge und Kombinationen aus, die im Normalschach auf Grund der begrenzten Bedenkzeit nicht gefunden werden. Matthias Kribben schmunzelt: „Unsere Neuerungen werden selbst von den Weltklasseleuten nicht so bemerkt. Es liegt daran, dass in den Datenbanken nur wenige Fernschachpartien zu finden sind“. Der 47-Jährige sagt dem Spiel über Ländergrenzen eine glänzende Zukunft voraus: „Es wird immer interessanter und stärker“.

Lange Tradition

Fernschach und Korrespondenzpartien haben eine lange Tradition. Die Züge werden per Postkarte, Brief oder aber elektronisch übermittelt. Im vorigen Jahrhundert korrespondierte man auch per Telegraf und Funk, manchmal sogar über eine Telefonzentrale. Damals waren Fernpartien vor allem als Wettkämpfe zwischen Vereinen oder Städten populär. Selbst im kalten Krieg wurde Fernschach gespielt, es gab viel beachtete Radio-Matches zwischen USA und UdSSR. Die meisten Turniere und Partien finden jedoch unter Einzelspielern statt. 

Wer wie Robert von Weizsäcker sehr beschäftigt ist, wählt den schnellsten Übertragungsweg. „Beruflich bin ich viel unterwegs und kann fast gar nicht per Post spielen. Weil ich nicht dort bin, wo der Briefkasten ist. Deshalb gehe ich vorwiegend über das Internet und spiele Web Chess“.  Mit 7,5 Punkten erzielte der Münchner ein herausragendes Ergebnis. Beim Fernschach gehe es darum, einen langen Atem zu haben und über lange Zeit auf hohem Niveau zu arbeiten, um erfolgreich zu sein. Und der Olympiasieg hat doppelten Wert, weil das deutsche Team mit diesem Titel auch gleichzeitig Mannschaftsweltmeister geworden ist, betont der Schachpräsident:

In fünf Monaten findet nun in Dresden die Schacholympiade statt. Den deutschen Nahschachspielern werden dort aufgrund der übermächtigen Konkurrenz keine Medaillenchancen eingeräumt. Mit dem Olympiasieg der Fernschächer haben die DSB-Teams nach den Worten von Weizsäckers jedoch einen kleinen Ansporn erhalten.

„Die gute alte Postkarte ist passé“
Interview mit Robert von Weizsäcker

Von Dagobert Kohlmeyer

Fernschach ist eine individuelle Disziplin. Wie wird aus sechs Einzelkämpfern ein starkes Team?

Nicht von allein, man muss etwas dafür tun. Wenn jeder allein zu Hause im Kämmerlein sitzt und seine Schulaufgaben macht, ist man nur formal eine Mannschaft. Deshalb haben wir uns regelmäßig getroffen, auch in München. Es war in der entscheidenden Phase des Wettkampfs. Weil der Sieg noch längst nicht feststand, haben wir uns gegenseitig so gepusht, dass jeder genug Energie mit nach Hause nahm.

Was war das Besondere an dem Treffen?

Ich habe dort zum ersten Mal auch emotional gemerkt, dass es etwas anderes ist, ob man als Einzelspieler oder in einer harmonischen Mannschaft antritt. Das hat mir den Schwung gegeben, den man im Fernschach unbedingt braucht. Es geht darum, einen langen Atem zu haben und über lange Zeit auf hohem Niveau zu arbeiten, um erfolgreich zu sein. München war für meine innere Gefühlswelt ein Schlüsseltreffen, weil unser Sieg damals noch längst nicht feststand.

Dieser Titel hat ja doppelten Wert, weil Sie mit dem Olympiasieg auch Mannschaftsweltmeister sind.

Es ist etwas ganz Besonders. Der Normalbürger erkennt sicher nicht auf Anhieb diese Leistung, die dahinter steckt. Man muss die Eigenheiten unseres Sports berücksichtigen. Oft werden wir in der Öffentlichkeit belächelt, wenn wir erzählen, was wir so machen. Aber das Spiel wird, unserer heutigen Zeit geschuldet, schneller und attraktiver. Über das Netz geht es großartig. Das Ganze ist auch eine fabelhafte Werbung für das Internet als ideales Medium für Schach. 

"Ich bin nicht, wo der Briefkasten ist"

Seit langem kennen wir Live-Übertragungen von Weltmeisterschaften und Turnieren der normalen Schachelite im Web. Ist das Netz also auch für die Fernschachspieler das  Medium der Zukunft?

Ja unbedingt. Bei mir ist fast alles über das Internet gelaufen. Spielen ohne reisen zu müssen, hat schon seine Attraktion. Die Kunst bestand darin, es über eine so lange Strecke durchzuhalten. 

Die meisten Fernschachspieler nutzen den Computer. Steckt Ihre Disziplin dadurch in der Krise?

Zum Glück gilt das noch nicht für das Fernschach auf hohem Niveau. Die Datenbanken bilden nur einen Teil der Vorbereitung und haben vor allem für die Eröffnung Bedeutung. In strategisch angelegten Partien hingegen sind elektronische Schachprogramme häufig weniger hilfreich, da sie den roten Faden des Spiels nicht wirklich erkennen.

Früher dauerten Fernschachturniere ewig. Mit einem Gegner in Australien zog sich eine Partie bis zu fünf Jahren hin. Ist die gute alte Postkarte heute passé?

Für mich ja. Ich bin beruflich sehr eingespannt, viel unterwegs und kann fast gar nicht per Post spielen. Weil ich nicht dort bin, wo der Briefkasten ist. Deshalb gehe ich vorwiegend über das Internet und spiele Web Chess.

Aber nicht alle Spielpartner mögen das.

Ich fragte während der Olympiade sämtliche Gegner, ob sie bereit sind umzusteigen. Fast alle stimmten zu, nur der Amerikaner hat sich kategorisch geweigert. Mit ihm musste ich bis zum Schluss per Post spielen. Das hat mich nicht gehindert, 7,5 Punkte aus zehn Partien zu holen.

Wer war der schwerste Gegner?

Unser härtester Konkurrent waren über lange Zeit die Tschechen. Sie werden auch Silber holen. Und ich habe den tschechischen Spieler mit Schwarz geschlagen. Es war ein mühsames positionelles Ringen über 52 Züge. Meine eigentliche Glanzpartie, die gegen den Slovaken, war viel kürzer.

Wissen Ihre Studenten in München schon von Ihrem Erfolg?

Nein. Weder, dass wir Olympiasieger sind, noch mein Einzelergebnis, bei dem ich  eine weitere Großmeisternorm erzielte. Ich komme gerade aus einer Vorlesung, wo ich über ökonomische Ungleichheit gesprochen habe. Ein Ungleichgewicht besteht ja auch häufig auf dem Schachbrett. Wir kennen Michail Tals berühmten Ausspruch, dass man die Harmonie einer Stellung stören muss, wenn man die Möglichkeit dazu hat.

Reden Sie in Ihren Vorlesungen auch über Schach?

Durchaus, es fallen dort nicht nur Begriffe wie Zugzwang oder Bauernopfer. Ich bin gerade dabei, eine Heuristik aus dem Schach zu isolieren, die auch im sonstigen Leben angewendet werden könnte. Also Kernelemente des Denkens der Schachmeister zu identifizieren, um es für andere Lebensbereiche nützlich zu machen. Ich finde zum Beispiel die Frage spannend, wie man Managern beibringen kann, strategisch noch präziser zu denken.

Gibt Ihr Erfolg den deutschen Nahschachspielern einen Push für die Olympiade 2008 in Dresden?

Ich hoffe, dass wir Ihnen damit eine kleine Vorlage gegeben haben.

Eigentlich eine Steilvorlage, Herr von Weizsäcker. Vielen Dank für das Interview!

 

Vom Können unserer Fernschachspieler zeugen folgende Partien, die uns drei der Olympiasieger freundlicherweise kommentiert zur Verfügung gestellt haben. Am ersten Brett gewann Fritz Baumbach u. a. gegen den Österreicher Peter Valent.

Partien zum Durchklicken...

F. Baumbach – P. Valent
13. Fernschacholympiade
Damenindisch (E12)

Anmerkungen: Fritz Baumbach

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 b6 4.Sc3 Lb7 5.a3 d5 6.cxd5 Sxd5 7.Dc2 Sxc3 8.bxc3 Le7 9.e4 0–0 10.Ld3 c5 11.0-0 Dc8 12.De2 La6 13.Td1 Lxd3 14.Txd3 Sd7 15.e5 cxd4

In der Partie Radjabow - Anand (Linares 2003) folgte 15. ... Dc6 16. Lg5 Tfe8 17. Lxe7 Txe7 18. Sg5 cxd4 19. cxd4 f6 20. exf6 Sxf6 mit späterem Remis.

16. cxd4 Te8 17. Lg5

17. … Da6?!

Mit diesem Zug geht Schwarz eigene Wege. Üblich sind an dieser Stelle 17. ... Sf8 oder 17. ... Lf8. Nach dem Textzug ist die Dame zu weit vom Kampfgeschehen entfernt. Mein Gegner räumte den Fehler nach der Partie ein.

18. Lxe7 Txe7 19. Tad1 Sf8     

Ich habe diese Stellung einige Wochen lang analysiert. Es ist offensichtlich, dass Weiß am Königsflügel angreifen muss, aber wie soll es weiter gehen? Auf meiner Postkarte hatte ich schon 20. h4 notiert, aber dann gefiel mir die Antwort nicht wegen der Variante 20. h4 Td8 (20. ... Tc8 21. Sg5 Tec7 22. Se4) 21. De3 Ted7 22. h5 h6! (Wenn der weiße h-Bauer einen Schritt weiter nach vorn kommt, ist Schwarz ernsthaft in Gefahr). Später prüfte ich 20. De3. Nach 20. … Tc8 21. Sg5 Tec7 22. Se4 Tc1 hat Schwarz sein Ziel erreicht und kann einen Turm tauschen. Meine dritte Analyse schließlich erbrachte den stärksten Zug, ein Springermanöver.

20. Sg5 Tc7 21. Df3 Td8 22. h4 h6 23. Se4 Sg6 24. h5 Se7

 

25. g4! Weiß startet den entscheidenden Angriff.

25. ... Db7 26. g5 hxg5

Hier war es extrem schwer, sich zwischen den beiden guten Zügen d5 und Dg4 zu entscheiden. Es kribbelte mir in den Fingern, 27. d5 auszuführen, weil der d-Bauer nur durch den Springer geschlagen werden kann: 27. d5 Sxd5 (27. ... Txd5 28. Sxg5; 27. ... exd5 28. Sd6) 28. Sxg5 Dc6 29. De4 Dc4 30. Dh7+ Kf8 31. Se4 Ke7 32. Tf3 Sf4 33. Te1 (33. Txd8? Df1+! und Matt.) 33. ... Se2+ 34. Kg2 Tf8 35. Te3 Tcc8 36. Sd6, und Weiß gewinnt. Weil ich einige Konterchancen für meinen Gegner entdeckt hatte, wählte ich die sichere Fortsetzung.

27. Dg4 Tc4

Die beste Antwort. Schwarz gibt die Qualität und stellt seine Figuren auf aktive Positionen. Hier war es überhaupt noch nicht abzusehen, dass Weiß in nur zehn Zügen auf der Gewinnerstraße sein wird.

28. Sd6 Txd6 29. exd6 Sf5 30. Dxg5 Dd7

Hier gibt es für Weiß zwei fundamentale Wege: 31. Df4 oder 31. Tc1. Das sind menschliche Züge. Der Computer hingegen empfahl einen anderen, und für diesen entschied ich mich.

31. h6 f6 32. Dg6 Sxh6 33. Th3 Sf7

Mit großer Freude fischte ich die Karte mit dieser Antwort aus dem Briefkasten, weil die nächsten zehn Züge bereits in meinem Analysebuch standen. Die Alternative war 33. … Sf5. Danach plante ich 34. d5 e5 35. Dh7+ Kf7 36. Kh2 mit dem praktisch unparierbaren 37. Tg1, zum Beispiel 36. … Tf4 37. Tc1 Sxd6 38. Thc3 Se8 39. Dh5+ Ke7 40. Tc8 oder 36. … e4 37. Dh5+ Kf8 38. Tg1 Sxd6 39. Thg3, und Weiß gewinnt in beiden Fällen.

34. Dh7+ Kf8 35. Tg3 Sg5 36. Dd3 b5 37. f4 Sf7 38. Dh7 g5 39. fxg5 Dxd6 40. Tg4 Dxa3 41. g6 De3+ 42. Kh1 Df4                                                                                            

Auf 42. ... Df3+ folgt 43. Tg2 Dxd1+ 44. Kh2; Oder 42. ... Dh6+ 43. Th4 Dxh7 44. gxh7.


43. Dxf7
matt.

 

 

Gegen Vladimir Hefka aus der Slowakei gewann Robert von Weizsäcker auf schöne Weise, indem er seinen Gegner von zwei Seiten in die Zange nahm.

R. von Weizsäcker – V. Hefka
13. Fernschacholympiade
Königsindisch E 84

Anmerkungen: Robert von Weizsäcker

1. d4 Sf6 2. c4 g6 3. Sc3 Lg7 4. e4 d6 5. f3 0–0 6. Le3 Sc6 7. Sge2 a6 8. Dd2 Tb8 9. Tc1!?

Weicht vom standardmäßigen Vorgehen in dieser Untervariante des Sämisch-Systems der Königsindischen Verteidigung ab. Normalerweise bereitet man z.B. mit 9. h4 oder zunächst 9. Sc1 bzw. direkt 9. 0–0–0 einen Königsflügelangriff vor, der dann in das übliche Wettrennen (Weiß am Königsflügel und Schwarz am Damenflügel) mündet. Mit dem Textzug verfolgt Weiß einen positionellen Gedanken, der auf Aktivitäten am Damenflügel gerichtet ist.

9. ... Ld7 10. Sd1! Te8 11. Sf2 e5 12. d5 Se7 13. b4

Weiß startet sofortige Operationen am Damenflügel, u. a. mit Blick auf die c- und b-Linien. Damit werden eventuelle schwarze Absichten an diesem  Flügel eingeschränkt. Gleichzeitig ist ein Angriff des Nachziehenden am Königsflügel nicht wirklich in Sicht. Ein Problem hat Weiß allerdings: Wohin mit dem Lf1? 13. Sc3 (mit der Idee Ld3) wäre z.B. zu langsam gewesen. Schwarz antwortet darauf unmittelbar 13. ... Sh5 nebst ... f5. Ich habe mich daher für den Plan g3 nebst Lg2 entschieden, auch um den Springer zunächst auf e2 zu halten.

13 ... h5!? Das kam für mich überraschend. Ich hatte eher mit 13. ... c6 oder auch 13. ... a5 gerechnet. 14. Sc3! Nun geht ... Sh5 ja nicht mehr.

14. ... c6 15. a3 cxd5!?

Aktiver ist vielleicht 15. ... b5.

16. cxd5 b5 17. Le2

Ändert den ursprünglichen Entwicklungsplan, da g3 jetzt den sofortigen Aufrollpunkt h4 schafft und ein anschließendes Lh3 den Punkt c4 schwächt (... Se7-c8-b6-c4).

17. ... Sh7 18. 0–0 f5 19. g3

Nun fast erzwungen, da 19. f4!? dem Nachziehenden stellungsdynamisch in die Hände spielt.

19. ... h4 20. Tc2

Mit der Idee Ta1 oder Tb1 gefolgt von a4.

20. ... Tf8 21. Tb1! De8  

22. Tbc1!

Nach langen Überlegungen. Ein wesentliches Motiv ist hier das Optionsprinzip, wonach ceteris paribus derjenige Zug den Vorzug verdient, der die Möglichkeiten guter Alternativen maximiert (bzw. am wenigsten beschränkt). 

22. ... Kh8!? Schwarz gehen die guten Züge aus. Der Textzug plant u. a. ... Tg8 nebst ... g5.

23. Scd1 hxg3!? 23. ... Sf6 hätte m. E. den Vorzug verdient.

24. hxg3 Tc8 25. Txc8 Lxc8

Auf 25. ... Sxc8 könnte 26. a4 oder auch 26. Dc3 folgen.

26. Tc7 Sf6 27. Lg5!

Unterbindet u. a. ... Sh5.

27, ... Seg8 Jetzt geht ... Sh5 wieder, aber die schwarzen Figuren stehen immer bedrängter.

28. Dc1 Sh5 29. Kg2 f4 30. g4 Lf6

Oder  30. ... Sg3 31. Ld3 (vielleicht sogar 31. Ta7!? Sxe2 32. Dc7) 31. ... Lf6 32. Sh3+-.

31. Lxf6+ Shxf6 32. a4! Geschwindigkeit ist jetzt alles.

32. ... bxa4 Sonst könnte axb5 gefolgt von Sc3 und Da1 folgen.

33. Sb2 Se7 Schwarz befindet sich fast im Zugzwang. Es gibt keine wirklich gute Alternative. 33. ... Sd7 erhielte 34. Sc4 und 33. ... Ld7 einfach 34. Lxa6 zur Antwort.

34. Sxa4! Sd7 Oder  34. ... Dxa4 35. Txe7; 34. ... Ld7 35. Sb6; 34. ... Tf7 35. Sb6; 34. ... Dd8 35. Sb6 jeweils mit weißem Gewinn.

35. Sh3 Weiß nähert sich den Raumvorteil nutzend von zwei Seiten.

35. ... Kg7  

 

36. Dg1! Die Drohung 37. Da7 ist entscheidend. 1-0


Die folgende Partie von Matthias Kribben gegen Wjatscheslaw Ljukmanow brachte dem deutschen Team den wichtigen Mannschaftssieg über Russland ein.


M. Kribben – W. Ljukmanow
13. Fernschach-Olympiade
Sizilianisch  (B33)

Anmerkungen: Matthias Kribben


1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 e5 6.Sdb5 d6 7.Lg5 a6 8.Sa3 b5 9.Lxf6 gxf6 10.Sd5 Lg7 11.Ld3 Se7 12.Sxe7 Dxe7 13.c4 f5 14.0–0 0–0 15.Df3 Te8

Die Alternativen sind 15. … d5 und 15. … bxc4 sowie das überraschende 15. … Db7 mit erzwungenem Damentausch, der Schwarz gute Remisaussichten bietet.

16. Tfe1 b4 17. Sc2 f4 18. Sxb4 Tb8

19. Sd5!

Weiß jagt nicht der Qualität hinterher. Bekannt war in dieser Stellung bisher nur 19. Sc6, und Schwarz kann nach 19. … Dg5 seinen Turm wegen der Drohung 20. … Lg4 retten.

19. … Dg5 20. Le2 Txb2

Mein Gegner ist auf der b-Linie eingedrungen, doch Weiß wird sie in einigen Zügen
beherrschen, und der schwarze Bauernangriff am Königsflügel ist zu langsam.

21. Da3 Td2 22. Tad1 Txd1 23. Txd1 Lf8 24. Tb1 Kh8 25. Lf3 f5 26. Tb8 Dg6 27. Dd3 Df7 28. Dd1 Da7 29. Db1 Df7

Nach dieser kuriosen Damen-Umgruppierung hat Weiß seine optimale Aufstellung erreicht. Nach der Schaffung des notwendigen Luftlochs kann der Schlussakkord erfolgen.

30. h3 a5

Dieser Zug macht keinen großen Sinn. Aber wenn man die Position genau untersucht, bemerkt man, dass sich Schwarz praktisch im Zugzwang befindet. Eine Zugzwang-Situation im Mittelspiel ist ein Phänomen, das man in Nahschach-Partien nur sehr selten antrifft. Im Fernschach jedoch kann sie durch die dort mögliche Präzision hin und wieder erreicht werden.

31. Lh5!

Der Läuferzug entscheidet die Partie. Weiß opfert zwei Leichtfiguren gegen den Turm und raubt Schwarz damit den Schutz der Grundreihe. Die auf ihren Ausgangsfeldern verharrenden Läufer sind danach nicht mehr gleichzeitig zu verteidigen. Weiß kann auf der achten Reihe Material einsammeln.

31. … Dxh5 32. Sf6 Dg6 33. Sxe8 f3 34. g3 Dxe8 35. Db5

 

1-0



 


 

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