Bu gewinnt in Ottawa

von ChessBase
17.07.2007 – Das Canadian Open 2007 in der kanadischen Hauptstadt und Touristenattraktion Ottawa war das stärkste Open, das je in Kanada gespielt wurde. Ein Team engagierter Freiwilliger sorgte für diesen Erfolg. Sie stellten Kontakte zu Botschaften und Firmen her und konnten so zahlreiche Großmeister einladen, die das Turnier attraktiv machten. Außerdem sorgten sie für familiäre Atmosphäre. Die half vor allem dem chinesischen Großmeister Bu Xiangzhi, der am Ende mit 8 Punkten aus 10 Partien gewann. Peter Hum schickt einen ausführlichen Bericht mit vielen Bildern.Mehr über das Turnier bei Monroi...Zum Bericht...

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Chinesischer Drache gewinnt Canadian Open

Von Peter Hum

Vor etwa zwei Wochen war eine gewisse Susan Polgar in Ottawa, der Hauptstadt von Kanada, um als Ehrenvorsitzende über die Kanadischen Jugendmeisterschaften 2007 zu walten. Beim Abendessen kam das Gespräch auf die bevorstehenden offenen kanadischen Meisterschaften, ein zehnrundiges Turnier, an dem mehr als 20 Großmeister teilnehmen würden, darunter fünf mit einer Elo-Zahl von mehr als 2650: GM Bu Xiangzhi aus China, GM Nigel Short aus Großbritannien, GM Vadim Milov aus der Schweiz, GM Kamil Miton aus Polen und GM Sergey Tiviakov aus den Niederlanden. Wer war Polgars Turnierfavorit? Ihre Antwort war kurz und knapp: Bu.

Wie sich zeigt, hatte sie Recht. Obwohl sich nach neun Runden vier GMs - Bu, Milov, Miton und Sandipan Chanda aus Indien - mit je 7/9 den ersten Platz teilten, gelang es Bu in der zehnten Runde mit Schwarz gegen Milov zu gewinnen, während Miton und Chanda Remis spielten. Short gewann seine Partie in der letzten Runde, aber landete zusammen mit Miton, Chanda, dem russischen GM GM Bator Sambuev und dem Kanadier IM Thomas Krnan einen halben Punkt hinter Bu.

Schlussstand (6,5/10 oder mehr)


#

Name

Rtng

Total

1

GM Xiangzhi Bu

2685

8.0

2

GM Nigel D. Short

2683

7.5

3

GM Kamil Miton

2648

7.5

4

GM Chanda Sandipan

2563

7.5

5

IM Tomas Krnan

2492

7.5

6

GM Bator Sambuev

2482

7.5

7

GM Vadim Milov

2678

7.0

8

GM Sergey Tiviakov

2648

7.0

9

GM Andrey V. Rychagov

2557

7.0

10

GM Mark Bluvshtein

2520

7.0

11

GM Abhijit Kunte

2519

7.0

12

GM Alex Yermolinsky

2517

7.0

13

FM Anton Kovalyov

2510

7.0

14

GM Hoang Thong Tu

2483

7.0

15

GM Frank De La Paz Perdomo

2452

7.0

16

IM Thomas Roussel-Roozmon

2414

7.0

17

IM Alexander Reprintsev

2410

7.0

18

IM Leonid Gerzhoy

2409

7.0

19

FM Joe Bradford

2406

7.0

20

FM Daniel Rensch

2400

7.0

21

FM Jonathan Tayar

2271

7.0

22

GM Victor Mikhalevski

2601

6.5

23

GM Suat Atalik

2564

6.5

24

GM Anton Shomoev

2561

6.5

25

GM Valeriy Aveskulov

2539

6.5

26

GM David Howell

2519

6.5

27

GM Tomas Likavsky

2494

6.5

28

IM Tom O'Donnell

2427

6.5

29

FM Shiyam Thavandiran

2337

6.5

30

GM Arkady Vul

2312

6.5

31

Michael Barron

2305

6.5

32

Sebastian Predescu

2277

6.5

33

Bindi Cheng

2238

6.5

34

Josh Guo

2212

6.5

35

Karoly Szalay

2174

6.5




GM Bu bekommt die Trophäe von Hal Bond, dem Präsidenten des kanadischen Schachverbands, überreicht

Bus Erfolg, der ihm den ersten Preis von $5,000 CAD einbrachte, war vollauf verdient. Er gewann seine Schlüsselpartien gegen GM Suat Atalik, der nach sieben Runden in Führung lag, und gegen Milov in der letzten Runde. Vor allem demonstrierte Bu eine unglaubliche Meisterschaft im Slawen, mit dem er mit Schwarz gegen die Großmeister Arkady Vul, Sipke Ernst und Milov gewann, während er mit Weiß Ataliks Slawen schlug und mit der gleichen Variante dann gegen Miton Remis spielte.

Bu, gerade einmal 21 Jahre alt, übte sich nach seinem Erfolg in Bescheidenheit und meinte, dass er, obwohl an Nummer Eins gesetzt, sich vor dem Turnier lediglich vorgenommen hatte, jede Partie so gut zu spielen, wie er konnte, ohne über den Gewinn des Meistertitels nachzudenken. Er erklärte, dass jede Partie intensive Anstrengung verlangt hätte und der Sieg in der letzten Runde gegen Milov besonders kräftezehrend war. Gefragt, ob er wieder in Kanada spielen möchte, antwortete Bu ohne zu zögern "Natürlich!"

Super-GM im Gästezimmer

Wie GM Bu überhaupt dazu kam in Ottawa zu spielen, ist eine ganz eigene Geschichte. In Ottawa unterhalten ein paar junge Schachspieler, deren Eltern aus China kommen, enge Verbindungen zum Chinesischen Schachverband und haben letzten Sommer sogar in Peking trainiert. Wegen dieser Verbindungen und der Hartnäckigkeit der Schachmutter Lianhua He gab der Chinesische Schachverband Bu den Segen, in Ottawa zu spielen.

Doch der Papierkrieg um Pass und Visum führte dazu, dass Bus Teilnahme erst Ende Juni bestätigt wurde, nur Tage vor Beginn des Canadian Open 2007. Als die Juli-Eloliste veröffentlicht wurde, war Bus Rating auf 2685 gestiegen, während GM Nigel Short, der bis dahin der an Nummer Eins gesetzte Spieler, ein paar Punkte eingebüsst hatte und auf 2683 gefallen war - auf dem Papier hatte das Turnier plötzlich einen neuen Favoriten.

Bu wohnte sogar im Haus von Ms. He. Bu war froh über diese Gesellschaft und zog sie dem Aufenthalt im Hotel vor. Ms. He und ihr Ehemann Charles Szalay sorgten für Bus Wohl, chinesisches Essen, Zugang zu Ottawas chinesisch-sprachigen Radio- und Fernsehprogrammen und für ein Mittagessen mit den Offiziellen der chinesischen Botschaft. Nebenbei bemerkt, Ms. Hes 14-jähriger Sohn Karoly gewann im Canadian Open den Preis für Spieler für Spieler mit einer Elo-Zahl von weniger als 2200 - hat der Busche Zaubers abgestrahlt?


Dank seines Hausgastes hat der junge Karoly vielleicht den Slawen in sein Repertoire aufgenommen


GM Bu, Mitte, mit seinen neuen kanadischen Freunden, Karoly Szalay, der Sponsorin Cheryl Mousseau, Charles Szalay und Lianhua He


Vor Runde drei gab sich Bu als Tourist. Im Hintergrund der Ottawa River und das Kanadische Museum der Zivilisation

In Kanada lastet die Bürde der Organisation auch der hochrangigsten Turniere des Landes meist auf den Schultern unbezahlter Freiwilliger. Meist sind dies Wanderturniere, die jedes Jahr in einer anderen kanadischen Stadt mit einem neuen Organisationsteam veranstaltet werden. In Ottawa war Ms. He eine von rund einem Dutzend Freiwilliger, die zahllose Stunden geopfert hatten, um das Canadian Open 2007 und die kanadische Jugendmeisterschaft 2007, die vor dem Open stattfand, zu organisieren. Genau wie sie GM Bu aufgenommen hat, lud der Vorsitzende des Organisationskomitees für Veranstaltungen in Ottawa, GM Short und seine Tochter ein, für die Zeit des Turniers bei ihm zu wohnen. Die zwei indischen Großmeister Abhijit Kunte und Sandipan Chanda übernachteten in dem geräumigen neuen Haus des Ottawaer Schachspielers Sanjiv Kalra. Gefragt, ob er Heimweh nach Indien hätte, antwortete GM Kunte: "Überhaupt nicht - Mr. Kalras Haus ist wie Indien".


Großmeister und zukünftige Großmeister? Agastya Kalra, Canadian IM Thomas Roussel-Roozmon, GM Abhijit Kunte ud GM Sandipan Chanda im Analyseraum

Und wie engagiert waren die Freiwilligen, damit ihr Turnier ein Erfolg wird? Nun, sie waren der Meinung, dass die Spitzenspieler es verdient hätten, mit schönen Holzfiguren zu spielen und nicht mit den üblichen Plastikfiguren, die gewöhnlich bei offenen Turnieren in Nordamerika verwandt werden. Also griffen die Organisatoren tief in die eigene Tasche, um teure Holzfiguren für die ersten zehn Bretter zu kaufen und behielten sie nach Ende des Turniers als Andenken.

GM Shorts Zuckermangel

Ohne den verdienten Sieg von GM Bu schmälern zu wollen, so drückten viele Fans und viele Teilnehmer des Canadian Open doch GM Nigel Short die Daumen. Er war eindeutig das Aushängeschild des Turniers und verlieh ihm Prestige und Klasse. Short war äußerst populär und das ganze Turnier hindurch ansprechbar, wobei er immer wieder in den Analyseraum kam, um zu verraten, was er so dachte.


GM Short (dunkler Anzug), flankiert von dem kanadischen IM Thomas Krnan, links, sowie den GMs Sandipan Chanda und Bator Sambuev, rechts. Zusammen mit GM Kamil Miton lagen sie am Ende einen halben Punkt hinter Bu.

Short blieb ungeschlagen, aber legte in der Mitte des Turniers, als Wochentags abends gespielt wurde, um den Spielern aus Ottawa, die auch während des Turniers arbeiten gingen, entgegen zu kommen, eine Serie von fünf Remis hin. Nach seinem Remis in der achten Runde gegen GM Bator Sambuev, der 200 Elo-Punkte weniger als er aufzuweisen hatte, sagte Short im Analyseraum, dass er sich am Ende der Partie mehr oder weniger "gehirntot" gefühlt hatte, und dass sein Energielevel extrem niedrig wäre, und er etwas Süßes bräuchte, um einen Energieschub zu bekommen.

Obwohl Short den Titel des offenen kanadischen Meisters jetzt seinem Lebenslauf nicht hinzufügen kann, so hoffen die Turnierorganisatoren doch, dass er mit seinem Aufenthalt in Ottawa zufrieden war. Er und seine Tochter verbrachten Zeit mit Sightseeing und der Britische Hochkommissar in Ottawa lud Short und den britischen GM David Howell in seine Residenz ein. Das Britische Hochkommissariat hatte die Reise von Short und Howell nach Ottawa unterstützt.

Der Erfolg des Canadian Open 2007 verdankt sich in vielerlei Hinsicht Shorts Teilnahme. Nachdem der ehemalige Weltmeisterkandidat seine Teilnahme bestätigt hatte, gab es einen wahren Ansturm einer breiten Masse von Schachspielern, die am Open teilnehmen wollten. Vor der Zusage von Short hatten sich die Veranstalter sehr viel bescheidenere Ziele für ihr Turnier gesetzt. Aber mit Short an Bord hatten die Organisatoren das Gefühl, sie müssten das Feld noch mit ein paar Super-GMs aufstocken, damit Short auch etwas für sein Geld zu tun hatte. So wurden noch ein paar mehr Großmeister eingeladen, damit keine allzu großen Elo-Lücken im Feld entstehen. In Windeseile hatte es die Gruppe von etwa ein Dutzend Organisatoren dann geschafft, 22 GMs zur Teilnahme zu bewegen - nicht zuletzt dank der Unterstützung durch die Hauptsponsoren Hill and Knowlton Canada, dem kanadischen Marktführer im Bereich Public Relations, Öffentlichkeitsarbeit und Strategische Kommunikation sowie Magmic Games, eine der führenden Firmen für die Entwicklung und die Produktion von Mobilgeräten wie den BlackBerry, die in Ottawa ihren Sitz hat.


Fast alle Großmeister, die am Canadian Open 2007 teilnahmen: hintere Reihe (von links nach rechts): GM Victor Mikhalevski, GM Suat Atalik, GM David Howell, GM Valeriy Aveskulov, GM Tomas Likavsky, GM Bu Xiangzhi, GM Nigel D. Short, GM Mark Bluvshtein, GM Frank De La Paz Perdomo; Vordere Reihe (von links nach rechts):GM Vadim Milov,GM Arkady Vul, WGM Ekaterina Atalik, GM Sergey Tiviakov, GM Abhijit Kunte, GM Chanda Sandipan; Absent: GM Kamil Miton, GM Bator Sambuev, GM Andrey V. Rychagov, GM Alex Yermolinsky, GM Hoang Thong Tu, GM Anton Shomoev, GM Sipke Ernst, GM Borislav Ivkov

Von den 280 Teilnehmern des Canadian Open 2007 spielte fast jeder vierte gegen einen der 22 Großmeister! In Kanada, einem Land, in dem die wenigen Großmeister, die dort leben, es vorziehen, im Ausland oder in den seltenen starken Einladungsturnieren zu spielen, hat es diese Stärke und Breite in einem Open noch nicht gegeben. Doch mit dem Standard, der dieses Jahr in Ottawa gesetzt wurde, hoffen die Organisatoren, dass die kommenden Canadian Open noch stärker und noch besser besucht sein und im Terminkalender von kanadischen und internationalen Schachspielern zur festen Größe werden.

Fotogalerie


Zu Beginn von Runde sieben hatte GM Suat Atalik noch gut lachen, denn er führte das Feld an. Aber dann traf er auf...


GM Bu Xiangzhi aus China


GM Kamil Miton aus Polen, dessen Reise zum von der polnischen Botschaft und der polnischen Fluglinie LOT gesponsert wurde.


Aus Russland kamen GM Andrey Rychagov und GM Arkady Vul



GM Bator Sambuev und GM Anton Shomoev reisten beide aus Ostsibirien nach Ottawa. Sie kommen aus Ulan Ude, einer Stadt mit 400.000 Einwohnern, die ein wichtiges Industrie- und Handelszentrum ist, und sich an Kilometer 5640 der transsibirischen Eisenbahn befindet. Sie ist Hauptstadt der Republik Burjatien, der Heimat von Burjaten, Ewenken und Russen.

Natürlich bestimmten die Paarungsgötter, dass GM Shomoev und GM Sambuev in der vierten Runde gegeneinander antreten mussten. Als GM Shomoevs die Paarungsliste las, meinte er: "Ich bin um die halbe Welt gereist - und jetzt spiele ich gegen Sambuev?" Dann musste er lachen. Am Ende kam es zu einem ausgekämpften Remis. GM Sambuev belegte am Ende dank seines Schlussrundensiegs gegen GM David Howell aus Großbritannien den geteilten zweiten Platz.



Der kanadische IM Tomas Krnan belegte den geteilten zweiten Platz dank eines Sieges über den ukrainischen GM GM Valeriy Aveskulov in der letzten Runde. Der britische GM David Howell führte das Feld nach der fünften Runde zusammen mit GM Suat Atalik an.



GM Victor Mikhalevski spielte in Ottawa dank der Unterstützung durch die israelische Botschaft. GM Tomas Likavsky, dessen Besuch in Kanada durch die Botschaft der Slowakei unterstützt wurde, hielt einen einen interessanten Vortrag über Psychologie im Schach.



GM Tu Hoang Thong aus Vietnam, links, traf in Kanada seinen Freund aus Kindertagen, den in Montreal lebenden IM Thanh Nha Duong, rechts, wieder.



Der amerikanische FM Joe Bradford kam aus Texas angereist; der amerikanische FM John D. Bick aus Louisiana zeigt seine bedeutungsschwangere Tätowierung


Der noch nicht einmal 14-jährigen Dalia Kagramanov gelangen etliche Überraschungssiege gegen Spieler, die mit bis zu 400 Elo-Punkten besser bewertet waren als sie. Infolgedessen konnte sie gegen zwei Großmeister spielen.


WFM Kubra Ozturk aus der Türkei war in Ottawa Gast der OZ Optics. Sie gewann zusammen mit IM Ekaterina Atalik den Frauenpreis.


Ali Yazici, rechts, Präsident des türkischen Schachverbands, war gerade in der Nähe, und dachte sich, er schaut einmal vorbei. Links von ihm ist Peter Hum, Autor dieser Zeilen und Ansprechpartner für die Spitzenspieler beim Canadian Open 2007.

Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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