Dresden ist bereit für die Schach-EM Am 2. April werden im Dresdner Kongress-Centrum
(ICD) die 5. Einzeleuropameisterschaften der Damen und Herren im Schach eröffnet.
Bereits vor Ablauf des Meldetermins haben 595 Spielerinnen und Spieler ihre
Teilnahme zugesagt, das ist ein neuer Rekord und eine echte Herausforderung
für Dr. Dirk Jordan und sein Organisationsteam auf dem Weg zur Schacholympiade
2008. Für die Aktiven geht es nicht nur um Titel, Plätze und Qualifikation für
die nächste Schach-WM, sondern auch um eine Menge Geld. Der Preisfonds von mehr
als 200.000 Euro bedeutet eine neue Höchstmarke für eine Schach-EM. Auf den
Titelträger der Herren warten 20.000 Euro, die beste Dame erhält 10 000.
Der Chairman der Schacholympiade zeigt das offizielle EM-Plakat, das an 220
Stellen in der Elbestadt zu sehen sein wird.
Wir verweisen auch auf das interessante Rahmenprogramm der Kontinentalmeisterschaft
mit dem Blitzturnier am Finaltag als Highlight. Dort werden 33 Runden absolviert,
bis Sieger und Platzierte feststehen. Zur
Ausschreibung.
Dresden ist eine Osterreise wert!
Schacholympiaden sind etwas ganz Besonderes: Interview mit Großmeister Wolfgang
Uhlmann
Von
Dagobert Kohlmeyer
Wolfgang Uhlmann ist eine lebende Schachlegende. Der Dresdner Großmeister gehörte
in den 60er und 70er Jahren zur Weltspitze und war elfmal DDR-Meister. Noch
heute spielt der knapp 72-Jährige aktiv, setzte zuletzt bei der Team-Europameisterschaft
der Senioren in seiner Heimatstadt die Figuren. Dagobert Kohlmeyer sprach mit
Wolfgang Uhlmann über seine Ansichten zum königlichen Spiel, seine Stadt, die
bevorstehende EM und die Schacholympiade 2008 in Dresden.
Wolfgang Uhlmann
Wie kommentieren Sie den 6. Platz der deutschen Mannschaft bei der Senioren-EM?
Man kann nicht jedes Turnier gewinnen, so wie es uns 2004 und 2005 gelang. Am
ersten Brett hatte ich sehr starke Gegner. Alle spielten mit großem Einsatz
und viel Ehrgeiz. Auch ich werde älter und kann nicht jeden Tag in Bestform
antreten.
Wäre es nicht klüger gewesen, einen Ersatzspieler zu nominieren, um Kräfte
zu sparen?
Sicher würde das hilfreich sein. Unsere Mannschaft hatte im Vorjahr eine etwas
andere Besetzung. Aber es muss menschlich stimmen. Wenn einer nicht mit Würde
verlieren kann, passt er nicht ins Team. Bei den Schach-Senioren steht das Fair
Play erfreulicherweise an erster Stelle.
Wie viele Ü-60-Meisterschaften in Ihrer Heimatstadt haben Sie bestritten?
Ich habe alle neun Europameisterschaften mitgespielt. 52 Teams in diesem Februar,
das war Rekord und der reine Wahnsinn. Fast jedes Jahr kommen zehn Mannschaften
mehr. Die Popularität der Veranstaltung spricht sich herum und wächst, weil
es hier einmalig schön ist. Wegen der perfekten Organisation und der Anziehungskraft
Dresdens kommen die Menschen gern hierher. Ihre Stadt wird mit jedem Tag schöner.
Das muss Sie doch als gebürtiger Dresdner, der die schreckliche Bombennacht
des 13. Februar 1945 miterlebt hat, besonders bewegen?
Ich war damals knapp zehn Jahre alt. Wir lebten an der Peripherie Dresdens und
sahen das ganze Flammeninferno. Unser Nachbarhaus wurde zerstört. Diese Erinnerungen
bleiben für das ganze Leben. Noch heute bekomme ich jedes Mal, wenn eine Sirene
geht, eine Gänsehaut und erinnere mich unwillkürlich an diese Schicksalstage,
in denen die Stadt so furchtbar zerstört wurde.
Wie groß ist Ihr Glücksgefühl über das neue Dresden?
Man kann es nur schwer beschreiben. Es ist ganz erfreulich, wie unsere Stadt
wieder erstanden ist. Wir haben unglaublich viele Anziehungspunkte: den Zwinger,
das Grüne Gewölbe, die Frauenkirche, den Neumarkt, die vielen historischen Gebäude.
Es ist wunderbar, dass wir durch die Semperoper und andere Kulturstätten sowie
die feinen alten Bauten wieder eine beliebte Touristenstadt geworden sind. Das
überträgt sich auch auf die anreisenden Schachfreunde. Sie fühlen sich magisch
angezogen.
Eine schöne Stadt allein garantiert noch keine perfekte Sportveranstaltung.
Wir haben sehr gute und erfahrene Ausrichter in Dresden, die alles wunderbar
organisieren. Unsere Team-EM der Schachsenioren war der gelungene Auftakt, dann
kommt im nächsten Monat die Europameisterschaft der Damen und Herren und schließlich
als Höhepunkt die Schacholympiade im kommenden Jahr. Ich bin fest davon überzeugt,
es wird ein voller Erfolg.
Die Welt trifft sich gern in Elbflorenz, wo viele berühmte Leute wohnen.
Sie gehören zu den 100 bekanntesten Dresdnern. Wie kam es zu dieser Ehre?
Es war eine Zeitungsumfrage in der 90er Jahren. Zu den nominierten Persönlichkeiten
gehörten die Sänger Peter Schreier und Theo Adam, die Tanzpädagogin Gret Palucca,
die Sportler Matthias Sammer und Ingrid Krämer, der Physiker Manfred von Ardenne
und andere. Es war eine illustre Auswahl von Leuten, die Vorbildwirkung haben.
Ich bin sehr stolz, ein Dresdner zu sein, der an der Geschichte dieser Stadt
mitschreiben konnte.
An wie vielen Schacholympiaden haben Sie teilgenommen?
Ich habe für die DDR von 1956 bis 1990 bei elf Olympiaden gespielt. Turniere
der Nationen sind etwas ganz Besonderes. Mein Rekordergebnis erzielte ich 1964
in Tel Aviv, wo ich das beste Ergebnis am ersten Brett hatte. Leider wurden
wir DDR-Schachspieler von 1972 bis 1986 durch einen unseligen Beschluss des
DTSB von Olympiaden ausgeschlossen, sonst wären es bei mir noch mehr Starts
gewesen. 1990 zur Schacholympiade in Novi Sad existierte die DDR schon nicht
mehr, aber wir traten noch ein letztes Mal an. Es war ein Kuriosum der Sportgeschichte.
Von welchen Schachkönigen haben Sie am meisten gelernt?
In meiner Jugend studierte ich mit Begeisterung die Partien von Alexander Aljechin.
Später habe ich besonders Michail Botwinnik sehr verehrt. Bobby Fischer und
Garri Kasparow sind für mich die Schachkönige der Neuzeit.
Ihre Kontrahenten vor 40 Jahren hießen Tal, Larsen, Spasski oder Portisch.
Wie hat sich die Schachwelt seither verändert.
Gewaltig. Man kann beide Epochen nicht miteinander vergleichen. Die Topspieler
von heute haben das ganze Computerwissen zur Hand. Ihre Turniervorbereitung
bedeutet große Fleißarbeit. Das Kreative geht dadurch etwas verloren. Wir mussten
uns am Brett alles selbst erarbeiten. Heute gewinnen viele Spieler allein durch
ihre häusliche Vorbereitung. Die künstlerische Seite des Schachs leidet darunter.
Die alte Garde: Wolfgang Unzicker (links) und Wolfgang Uhlmann (rechts). Mark
Taimanov schaut interessiert zu.
In wenigen Wochen folgt die Einzel-EM, in 20 Monaten die Schacholympiade.
Was tun Sie zu den kommenden Großereignissen in Dresden?
Ich bin Schach-Botschafter der Stadt und werde Gäste betreuen. Vorgesehen ist
auch, dass ich Partien kommentiere und die schönsten Spiele aussuche. Als großes
Ereignis des Weltsports hat es die Schacholympiade verdient, dass ich Werbung
für sie betreibe. Ich unterstütze auch die große Simultantournee des Deutschen
Schachbundes zur Olympiade. Das sind viele schöne Dinge, die im Vorfeld ablaufen.
Ich denke schon, es wird eine Riesensache. Was die Leute bei uns leisten, welche
Aufgaben sie bewältigen, ist gigantisch. Ich glaube, Dresden wird die beste
Olympiade erleben, die es je gab.
Die Jugend schaut auf Sie als Schachidol. Geben Sie heute noch Unterricht?
Nicht mehr so viel wie früher. Zuletzt habe ich die Nachwuchsspielerin Elena
Winkelmann aus Dresden betreut. Hin und wieder halte ich noch Vorträge. Der
Zahn der Zeit nagt auch an mir. Aber die Liebe zum Schach vergeht nicht.
Ihre Frau ist keine Schachspielerin. Was schätzen Sie an ihr?
Sehr viel. An erster Stelle möchte ich ihr unglaubliches Verständnis für meine
Sportart nennen. Ich war ja über längere Zeiträume hinweg nicht zu Hause. Da
lag alles in ihren Händen. Sie war immer außergewöhnlich tolerant und hat mir
nie Vorhaltungen gemacht, wenn ich irgendwo in der Welt unterwegs war. Hatte
ich als Spieler mal eine Krise, baute sie mich wieder auf. Das hat mir sehr
geholfen.
Christine und Wolfgang Uhlmann
Text und Fotos: Dagobert Kohlmeyer