Schachreisen

von ChessBase
24.01.2007 – Der viel gereiste Schachjournalist Dagobert Kohlmeyer erzählt jüngst, wie er auf einem Flug nach Mexiko in Saint John in Kanada landete. Dem Flieger war die Luft ausgegangen und man wollte dem drohenden Druckabfall lieber vorbeugen. Nun kann eine Luftreise allein schon aus physikalischen Gründen sowieso nur zufällig gelingen. Im Gegensatz dazu ist die Eisenbahn ein seit Jahrhunderten bewährtes Fortbewegungsmittel. Wenn zum Beispiel einmal das Triebwerk ausfällt, bleibt die Bahn einfach nur stehen. Wer von Holland nach Deutschland reist, hat das unverschämte Glück, gleich zwei Bahnnetze kennen lernen zu dürfen. Und wer außerdem noch kurz nach einem Orkan die Reise antritt, entdeckt zudem viele verschiedene Züge und Bahnhöfe und kann seine Fahrt in fröhlicher Gesellschaft verbringen. Die Zeit vergeht dann wie im Flug und man merkt fast gar nicht, dass die Reise statt sechs Stunden zwei Tage gedauert hat. Mehr...

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Rückkehr aus Wijk
Von André Schulz



Aufmerksame Leser dieser Webseite erinnern sich möglicherweise an die Beschreibung eines gescheiterten Rückreisunterfangens eines ChessBase-Reporters, der am vergangenen Donnerstag - zeitgleich mit Orkan Kyrill - seine Rückreise anzutreten beschlossen hatte. Viele Leser wollten wissen: Was ist aus ihm geworden? Nach dem ersten gescheiterten Versuch, aus Wijk wegzukommen, fand der Reporter zu seinem Glück erneute Aufnahme im gastfreundlichen Hotel Zeeduin. "Ja für eine Nacht, das kann gehen," hieß es. Die Betonung liegt auf dem Wort "eine".


Hotel Zeduin nach dem Sturm

Während in den vorherigen Nächten der Kühlschrank im Zimmer durch beständiges lautes Brummen besonders nachts auf seine beschwerliche Tätigkeit aufmerksam gemacht hatte, war diesmal nichts von ihm zu hören. Seine Geräusche wurden vollständig vom Pfeifen des Sturmes verdeckt, der in der Nacht immer noch über das Land fegte, wenn auch mit etwas verminderter Geschwindigkeit.


Sand kam selbst durch das geschlossene Fenster

Das Hotel selbst hatte auch mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Am Morgen schon war vorübergehend das Internet ausgefallen, was einige Spieler, die aufgeregt an der Rezeption erschienen, in ihrer Partievorbereitung zurück warf. Die Decke des Wintergartens, der als Restaurant und Frühstücksraum genutzt wurde, war außerdem nach tagelangem Regen ziemlich durchgeweicht. Das Personal hatte einige der Deckenplatten abnehmen müssen, da diese zerbröselten und stückweise in den Frühstücks-Kaffee zu tropfen drohten. Überraschendes kam am Freitag früh dahinter dort zum Vorschein.


Huch: Ein Kabel in der Decke

Nach dem Frühstück war für unseren Berichterstatter die Zeit gekommen, erneut eine Abreise zu wagen. Zwar wehten noch einige Böen, aber Kyrill war inzwischen vorbei gezogen. Selbst die Deutsche Bahn ("Alle reden vom Wetter, wir nicht!"), die am Donnerstag bundesweit ihren Betrieb eingestellt hatte, sollte wohl inzwischen ihr Reisesystem auch neu gebootet haben, konnte man denken. Die im Frühstücksraum Sitzenden quittierten die erneute Verabschiedung mit einem pragmatischen "Kannst du bitte eine Zeitung mitbringen, wenn du wieder zurück kommst" und fröhlichem Kichern.

Nun, diesmal gab es kein Zurück. Was unser Schachreporter jedoch nicht wusste: Seine Reise sollte zwei Tage dauern und zehn verschiedene Fahrzeuge benötigen. Zunächst lief noch alles nach Plan. Ein Taxi brachte unseren Mann nach Beverwijk. Dort traf gerade ein niederländischer Regionalzug ein, den unsere Nachbarn "Stoptrein" nennen. Was ein Glück - Wartezeit gespart.

Der erfahrene Holland-Bahnreisende weiß außerdem, dass in Amsterdam die Bahnsteige in "a" und "b" unterschieden werden. Wer auf 14a wartet, weil er dem kleinen Buchstaben im Anhang keine Bedeutung geschenkt hat, wird seinen Zug auf 14b niemals erreichen. Doch wer schon einmal in Amsterdam umgestiegen ist, kennt diese Falle. Dort angekommen, war schnell klar, dass das niederländische Bahnnetz vollkommen intakt und fahrplanmäßig arbeitete. Na prima. Am Bahnsteig fuhr dann auch wie erwartet der IC nach Ammersfort ein.

Wer in Deutschland einen IC kennen gelernt hat, muss sich von der Vorstellung trennen, ein IC in den Niederlanden sei vielleicht das gleiche. Der IC von Amsterdam nach Ammersfort glich mehr einem rollenden Industriedenkmal auf Schienen. Das Abteil hatte den Plaste-Charme der 60 Jahre.


Hereinspaziert

Immerhin war der Zug recht leer und er fuhr.

Der freundliche niederländische Bahnbedienstete in Ammersort schüttelte bedenklich mit dem Kopf, sein Gesicht war ein einziges Bedauern. "Gerrmany? Osnabrück? No Way. The whole train system in Germany is currently a mess! The only chance is, to go over Groningen and then to Leer."
 


Bahnhof Ammersfort

Na gut. Auch der Zug von Groningen nach Leer war ebenso archaisch wie der von Amsterdam nach Ammersfort. Aber auch er fuhr. Im Vergleich zu einem deutschen ICE 3 ist die Bahn in den Niederlanden etwa 40 Jahre zurück. Aber sie funktioniert, vielleicht ja deshalb.


Bahncharme bei Frau Antje

In Jahren fortschreitenden Privatisierung und Optimierung hat die deutsche Bahn nun ja bald alle unrentablen Strecken still gelegt und sich dabei um einige Ausweichstrecken gebracht. Fällt nun irgendwo ein Baum auf die Schienen, fällt gleich die ganze Strecke aus. 

In Groningen fuhr eine im Vergleich zu den vorherigen Vehikeln ziemlich modern anmutende S-Bahn nach Nieuweschans nahe der deutschen Grenze. Man deutete an, dass wohl auch noch eine Bahn zu erwarten ist, die bis nach Leer fahren solle. Am Rande des Bahnsteig wartete jedoch ein Fahrzeug der Weser-Ems-Bus, das nach Leer fuhr. Mit diesem ging es über die Grenze, wo deutsche Zöllner sich freuten, endlich einmal jemanden kontrollieren zu dürfen. Der Mann mit dem großen Koffer und der PC-Tasche sah einfach zu lustig und zu ungewöhnlich auf dieser Strecke aus. Leider fand sich selbst im CD-Laufwerk des mitgeführten PCs kein roter Libanese und auch große Bargeldmengen konnten nicht festgestellt werden. In Leer wurde unser Reisender von Freunden am Bahnhof abgeholt, die ihm auch Unterkunft gewährten.

Am nächsten Tag ging es weiter mit einem Regionalzug von Leer nach Bremen. Ohne Probleme und fahrplanmäßig. Damit war dann aber in Bremen schon wieder Schluss. Der Anschluss-IC wurde mit einer Verspätung von "45 Minuten" ausgewiesen. "45 Minuten Verspätung" bedeutet in Bahn-Deutsch: "Wir wissen nicht wann er kommt, wie wissen nicht ob er kommt". Oder um im Bahner-Werbedeutsch zu bleiben: "Die Bahn kommt  - nicht"

Stattdessen wurde die Bremen-Hamburg Regionalzug-Verbindung "Metronom" angeboten. Dieser fuhr vermutlich nur deshalb, weil er nicht von der Bahn, sondern von der Metronom-Gesellschaft betrieben wird. Zahlreiche Bahnkunden machten von dem Angebot dankend Gebrauch, weit mehr als der Zug Sitzplätze hatte. Unser Schachreisender hatte Glück und ergatterte einen Notsitzplatz im Durchgang vor dem WC. Eigentlich hätte ihm sein Ticket sogar einen Platz in der Ersten Klasse erlaubt. Doch diese war am anderen Ende des Zuges untergebracht und der Weg dorthin von Hunderten Fußball-Fans verstellt, die auf dem Weg in die Hamburger AOL-Arena zu einem Testspiel zwischen dem HSV und Bayern München waren. Unser Schlachtenbummler verbrachte gesellige anderthalb Stunden zusammen mit einer Gruppe von HSV-Fans. Außer am Trikot erkannt man diese an der Dose Astra in der Hand. Werder-Fans bevorzugen stattdessen Becks. Die Fußballfans mit den Astra-Dosen erwiesen sich als fröhliche Burschen mit viel Humor. Zahlreiche Kalauer, z.B. über das WC und seine Besucher, wurden den staunenden Mitreisenden zum Besten gegeben. Die Zeit verging wie im Flug.



Nach zwei Tagen endete die Reise am Hamburger Hauptbahnhof. Dieser stammt noch aus der guten alten Zeit, ist nur zwei Stockwerke hoch und so stabil gebaut, dass die Reisenden sich nicht nach umher fliegenden Stahlträgern umsehen müssen, wie in Berlin. Die FAZ schlug vor, den Berliner Bahnhof still zu legen und nur noch als Kunstwerk zu verwenden, zu dem es kürzlich erklärt wurde. Bald würde er ohnehin in sich zusammenfalle und könne dann als industrielles Denkmal endlich voll zur Geltung kommen.

 


Einstürzende Neubauten


"Timber!"

 

 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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