Während Kramnik in der ersten Partie aus der Eröffnung schnell ins
Endspiel übergehen konnte, kam es in der zweiten Partie zu einer komplizierteren
Stellung. Genau wie sein menschlicher Kontrahent zog Deep Fritz in seiner ersten
Weißpartie 1.d4. Kramnik entgegnete 1...d5 und es kam zu einer modernen
Variante des Angenommenen Damengambits, was zu einer strategisch anspruchsvollen
Stellung führte. Doch Kramnik schien zu wissen, was er tat, denn wie in
der ersten Partie verbrauchte er in der Eröffnung sehr viel weniger Zeit
als Deep Fritz.
Auch der Übergang von der Eröffnung ins Mittelspiel gelang Kramnik
gut und laut Kommentator Yasser Seirawan kam Kramnik leicht zu Ausgleich. Wie
in der ersten Partie spielte Kramnik selbstbewusst und schnell und verbrauchte
in der Eröffnung sehr viel weniger Zeit als der Computer.
Fritz-Programmierer und Bediener Mathias Feist vor der Partie
Die ersten Züge...
...wurden von Kramnik schnell gemacht.
Doch die Lage blieb nicht so idyllisch für Schwarz. Nach
1.d4 d5 2.c4
dxc4 3.e4 b5 4.a4 c6 5.Sc3 b4 6.Sa2 Sf6 7.e5 Sd5 8.Lxc4 e6 9.Sf3 a5 10.Lg5 Db6
11.Sc1 La6 12.De2 h6 13.Le3 Lxc4 14.Dxc4 Sd7 15.Sb3 Le7 16.Tc1 0-0 17.0-0 Tfc8
18.De2 spielte Kramnik mit
18...c5 den strategisch angezeigten Zug,
der die Stellung allerdings taktisch machte und so dem Computer gute Möglichkeiten
gab.
Stellung nach 18...c5
Nach
19.Sfd2 dachte Kramnik, der bislang recht schnell gespielt hatte,
erstmals länger nach. Denn wie GM Klaus Bischoff meinte: "Dies ist
die Phase, in der Kramnik jeden Zug auf die Goldwaage legen muss."
Am Ende seines langen Nachdenkens kam Kramnik zu dem Schluss, dass
19...Dc6,
laut Klaus Bischoff "ein rotzfrecher Zug", die beste Möglichkeit
war. Mit
20.Dh5 brachte Deep Fritz die Dame zum Angriff gegen den schwarzen
König in Stellung und immer mehr taktische Möglichkeiten tauchten auf.
Stellung nach 20.Dh5
Doch Kramnik zeigte sich auf der Höhe. Er umschiffte mit
20...Dxa4 21.Sxc5
Sxc5 22.dxc5 Sxe3 23.fxe3 Lxc5 24.Dxf7+ Kh8 25.Df3 Tf8 26.De4 Dd7 geschickt
alle taktischen Fallen und erreichte eine Stellung, in der Schwarz durch seine
langfristigen strukturellen Vorteile auf eine schöne Zukunft hoffen konnte,
falls es ihm gelingen würde, seine Stellung zu konsolidieren.
Stellung nach 26...Dd7
Großmeister Arthur Yussupow sah Kramnik nach ...Dd7 bereits außer
Gefahr und auch Yasser Seirawan gefiel die schwarze Stellung zunehmend. Wenn
es Schwarz gelingt, die weißen Figuren in Schach zu halten, dann hat er
mit seiner Mehrheit am Damenflügel die Möglichkeit, einen gefährlichen
Freibauern zu bilden und Weiß in Bedrängnis zu bringen. In jedem
Fall schien Kramnik mit seiner Stellung zufrieden. So sehr sogar, dass er nach
27.Sb3 Lb6 28.Tfd1 Df7 29.Tf1 mit
...Da7 im 29. Zug einer möglichen
Zugwiederholung aus dem Wege ging.
Stellung nach 29.Tdf1. Mit 29...Dd7 hätte Schwarz Zugwiederholung anbieten
können.
Aber kurz nachdem Arthur Jussupow im Kommentatorenraum erklärte: "Für
Kramnik läuft die Partie wunderbar" verblüffte Kramnik Zuschauer
und Experten, indem er sich auf riskante Verwicklungen einließ. Nach
29...Da7
30.Txf8+ Txf8 31.Sd4 a4 32.Sxe6 revidierte Jussupow auch seine vorherige
Einschätzung und meinte: "Diese Entwicklung gefällt mir überhaupt
nicht für Schwarz. Aber vielleicht hat Schwarz etwas übersehen"
Stellung nach 32.Sxe6
Diese Aussage erwies sich als prophetisch. Nach den weiteren Zügen 32...
Lxe3+
33.Kh1 Lxc1 34.Sxf8 hatte Kramnik einen vollkommenen Blackout und ließ
sich nach
34...De3 35.Dh7# einzügig matt setzen. Der vielleicht schlimmste Fehler in der Laufbahn des Weltmeisters.
Stellung nach 34....De3??.
Es fällt schwer sich daran zu erinnern, wann ein Weltmeister sich in einem
bedeutenden Wettkampf hat matt setzen lassen. Dass Kramnik dieser Fehler nach
einer hervorragend gespielten Partie, in der er sehr viel kompliziertere taktische
Drohungen souverän pariert hatte, unterlaufen ist, zeigt, wie unangenehm es
sein kann, gegen eine Maschine zu spielen, die permanent Druck ausübt und der solche Fehler
nie passieren. Man kann nur hoffen, dass der Weltmeister durch diese Niederlage
nicht allzu sehr erschüttert wird und sich in der dritten Partie am Mittwoch
wieder gefangen hat.