Partie 2: Katastrophe für Kramnik

von ChessBase
27.11.2006 – In der zweiten Partie zeigte sich Kramnik als menschlich, allzu menschlich. Genau wie sein menschlicher Kontrahent zog Deep Fritz in seiner ersten Weißpartie 1.d4. Kramnik entgegnete 1...d5 und es kam zu einer modernen Variante des Angenommenen Damengambits, was zu einer strategisch anspruchsvollen Stellung führte. Doch Kramnik behandelte die Stellung hervorragend, kam durch umsichtiges Spiel in Vorteil und lehnte sogar ein "stilles" Remisangebot des Computers ab, indem er einer Zugwiederholung auswich. Doch dann unterlief Kramnik ein unglaublicher Fehler: In einer für ihn vorteilhaften Stellung ließ Kramnik Komplikationen zu, in denen er sich verrechnete. Das brachte ihn augenscheinlich aus dem Gleichgewicht und dem sonst so sicher spielenden Weltmeister unterlief der vielleicht schlimmste Fehler seiner Karriere: Er ließ sich ohne in Zeitnot zu sein einzügig mattsetzen und verwandelte so eine mögliche Glanzleistung innerhalb von wenigen Minuten in eine Katastrophe.Partie zum Nachspielen...Mehr...

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Während Kramnik in der ersten Partie aus der Eröffnung schnell ins Endspiel übergehen konnte, kam es in der zweiten Partie zu einer komplizierteren Stellung. Genau wie sein menschlicher Kontrahent zog Deep Fritz in seiner ersten Weißpartie 1.d4. Kramnik entgegnete 1...d5 und es kam zu einer modernen Variante des Angenommenen Damengambits, was zu einer strategisch anspruchsvollen Stellung führte. Doch Kramnik schien zu wissen, was er tat, denn wie in der ersten Partie verbrauchte er in der Eröffnung sehr viel weniger Zeit als Deep Fritz.

Auch der Übergang von der Eröffnung ins Mittelspiel gelang Kramnik gut und laut Kommentator Yasser Seirawan kam Kramnik leicht zu Ausgleich. Wie in der ersten Partie spielte Kramnik selbstbewusst und schnell und verbrauchte in der Eröffnung sehr viel weniger Zeit als der Computer.


Fritz-Programmierer und Bediener Mathias Feist vor der Partie


Die ersten Züge...


...wurden von Kramnik schnell gemacht.

Doch die Lage blieb nicht so idyllisch für Schwarz. Nach 1.d4 d5 2.c4 dxc4 3.e4 b5 4.a4 c6 5.Sc3 b4 6.Sa2 Sf6 7.e5 Sd5 8.Lxc4 e6 9.Sf3 a5 10.Lg5 Db6 11.Sc1 La6 12.De2 h6 13.Le3 Lxc4 14.Dxc4 Sd7 15.Sb3 Le7 16.Tc1 0-0 17.0-0 Tfc8 18.De2 spielte Kramnik mit 18...c5 den strategisch angezeigten Zug, der die Stellung allerdings taktisch machte und so dem Computer gute Möglichkeiten gab.


Stellung nach 18...c5

Nach 19.Sfd2 dachte Kramnik, der bislang recht schnell gespielt hatte, erstmals länger nach. Denn wie GM Klaus Bischoff meinte: "Dies ist die Phase, in der Kramnik jeden Zug auf die Goldwaage legen muss."

Am Ende seines langen Nachdenkens kam Kramnik zu dem Schluss, dass 19...Dc6, laut Klaus Bischoff "ein rotzfrecher Zug", die beste Möglichkeit war. Mit 20.Dh5 brachte Deep Fritz die Dame zum Angriff gegen den schwarzen König in Stellung und immer mehr taktische Möglichkeiten tauchten auf.


Stellung nach 20.Dh5

Doch Kramnik zeigte sich auf der Höhe. Er umschiffte mit 20...Dxa4 21.Sxc5 Sxc5 22.dxc5 Sxe3 23.fxe3 Lxc5 24.Dxf7+ Kh8 25.Df3 Tf8 26.De4 Dd7 geschickt alle taktischen Fallen und erreichte eine Stellung, in der Schwarz durch seine langfristigen strukturellen Vorteile auf eine schöne Zukunft hoffen konnte, falls es ihm gelingen würde, seine Stellung zu konsolidieren.


Stellung nach 26...Dd7

Großmeister Arthur Yussupow sah Kramnik nach ...Dd7 bereits außer Gefahr und auch Yasser Seirawan gefiel die schwarze Stellung zunehmend. Wenn es Schwarz gelingt, die weißen Figuren in Schach zu halten, dann hat er mit seiner Mehrheit am Damenflügel die Möglichkeit, einen gefährlichen Freibauern zu bilden und Weiß in Bedrängnis zu bringen. In jedem Fall schien Kramnik mit seiner Stellung zufrieden. So sehr sogar, dass er nach 27.Sb3 Lb6 28.Tfd1 Df7 29.Tf1 mit ...Da7 im 29. Zug einer möglichen Zugwiederholung aus dem Wege ging.


Stellung nach 29.Tdf1. Mit 29...Dd7 hätte Schwarz Zugwiederholung anbieten können.

Aber kurz nachdem Arthur Jussupow im Kommentatorenraum erklärte: "Für Kramnik läuft die Partie wunderbar" verblüffte Kramnik Zuschauer und Experten, indem er sich auf riskante Verwicklungen einließ. Nach 29...Da7 30.Txf8+ Txf8 31.Sd4 a4 32.Sxe6 revidierte Jussupow auch seine vorherige Einschätzung und meinte: "Diese Entwicklung gefällt mir überhaupt nicht für Schwarz. Aber vielleicht hat Schwarz etwas übersehen"


Stellung nach 32.Sxe6

Diese Aussage erwies sich als prophetisch. Nach den weiteren Zügen 32...Lxe3+ 33.Kh1 Lxc1 34.Sxf8 hatte Kramnik einen vollkommenen Blackout und ließ sich nach 34...De3 35.Dh7# einzügig matt setzen. Der vielleicht schlimmste Fehler in der Laufbahn des Weltmeisters.


Stellung nach 34....De3??.

Es fällt schwer sich daran zu erinnern, wann ein Weltmeister sich in einem bedeutenden Wettkampf hat matt setzen lassen. Dass Kramnik dieser Fehler nach einer hervorragend gespielten Partie, in der er sehr viel kompliziertere taktische Drohungen souverän pariert hatte, unterlaufen ist, zeigt, wie unangenehm es sein kann, gegen eine Maschine zu spielen, die permanent Druck ausübt und der solche Fehler nie passieren. Man kann nur hoffen, dass der Weltmeister durch diese Niederlage nicht allzu sehr erschüttert wird und sich in der dritten Partie am Mittwoch wieder gefangen hat.

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