Aufstieg in die Erste Liga
RAG sponsert Mensch-Maschine-Wettkampf
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Peer Steinbrück...
Dr. Werner Müller 1...
Dr. Werner Müller 2...
Vladimir Kramnik 1...
Vladimir Kramnik 2...
Vladimir Kramnik 3...
Ein bestens gelaunter Peer Steinbrück eröffnete als Erstredner
gestern Nachmittag die Pressekonferenz im Essener Hauptsitz des Großkonzerns
RAG.
Den Schachfreunden ist der frühere Ministerpräsident von NRW und heutige
Bundesfinanzminister aus einer Reihe von Schachveranstaltungen als begeisterter
Schach-Anhänger bekannt.
Im vorletzten Jahr trat er bei der damals noch existierenden
WDR-Sendung "Schach der Großmeister" als Co-Moderator auf und traute sich dann
sogar, vor zahlreichen Zuschauern in der Bonner Bundeskunsthalle eine Partie
gegen Vladimir Kramnik zu spielen, bei der er lange mithalten konnte und deren
knapper Ausgang ihn als wohl weltweit spielstärksten Finanzminister erscheinen lässt.
Steinbrück erklärte, dass Schach in Deutschland viele Anhänger besässe
und in seiner Bedeutung in der Öffentlichkeit unterschätzt werde. Mit über 9000
Turnierspielern mit Elozahl liege Deutschland im internationalen Vergleich an
erster Stelle und vor dem Schachland Russland. Den Wettkampf zwischen Vladimir
Kramnik und Deep Fritz sehe er als kleinen Kulturkampf zwischen herausragenden
Vertretern der menschlichen und der technischen Intelligenz. Als Kramnik vor
vier Jahren schon einmal gegen Deep Fritz gespielt hatte, sei es dem Weltmeister
im klassischen Schach gar nicht so leicht gefallen, diesen Wettkampf am Ende
unentschieden zu gestalten. Der Bundesfinanzminister gab seiner Hoffnung
Ausdruck, dass Kramnik in der kommenden Auseinandersetzung am Ende gegen den
"Apparat" den Sieg davontragen möge.
Besonders freute den Finanzminister, dass der Wettkampf in Nordrhein-Westfalen
stattfindet. Die Bonner Bundeskunsthalle und ihr Chef Wenzel Jacob würden ein
hervorragendes Ambiente zur Verfügung stellen und die weltweit große
Aufmerksamkeit werde hoffentlich dabei helfen, möglicherweise einmal auf dem
gleichen Schauplatz eine richtige Weltmeisterschaft im Schach organisieren zu
können. Mit dem Dortmunder Sparkassen Chessmeeting habe man bereits eines der
weltweit wichtigsten Turniere in NRW. Der Mensch-Maschine-Wettkampf werde die
Bedeutung des Landes als Schachhochburg weiter stützen und könne vielleicht ein
Vorläufer für eine Schachweltmeisterschaft in NRW sein. Peer Steinbrück freue
sich sehr, Schirmherr dieses Wettkampfes sein zu dürfen.
Der Vorstandsvorsitzende der RAG, Dr. Werner Müller, wies in seiner Ansprache
zunächst darauf hin, dass er sich vor Kurzem nicht hätte träumen lassen, einmal
neben einem Schachweltmeister zu sitzen und erklärte, weshalb die RAG im
Sportsponsoring aktiv geworden ist.
Der neue stark umgebaute Bergbau- und Technologie Konzern mit
weltweit 100.000 Mitarbeitern wird Mitte Oktober einen neuen Namen erhalten, der
dann intensiv vermarktet und bekannt gemacht werden soll. Dazu hat man sich bei
Borussia Dortmund als Trikotsponsor engagiert und suchte außerdem nach einem
Sportevent. Der Wettkampf zwischen Kramnik und Deep Fritz im November in Bonn
kam da gerade recht. Der ehemalige Wirtschaftsminister meinte, dass die
künstliche Intelligenz sich derzeit im Verein mit neuen technischen
Möglichkeiten rasant weiter entwickle, er aber hoffe, dass am Ende diesmal noch
der Mensch die Oberhand behalten werde.
Vladimir Kramnik sah seine Chancen bei etwa 50%, wobei er es als schwierig
ansah, eine Prognose abzugeben, aber in jedem Fall seien seine Chancen größer als
1 %.
Vladimir Kramnik
Auf die Frage von Michael Negele, wann denn der Mensch gegen
Maschine chancenlos sei und ob dies dann das Ende des Schachs bedeutete,
antwortete der Weltmeister im klassischen Schach, dass es klar sei, dass die
Zeit einmal kommen werde, da die Computer so gut seien, dass kein Mensch mehr
mithalten werde. Doch dies sei jetzt noch nicht der Fall. Er glaube, dass die
Auseinandersetzung zwischen Mensch und Maschine noch ein paar Jahre spannend
sein werde. Selbst, wenn er den Wettkampf verlieren werde, könne man dennoch
auch danach noch weitere Mensch-Maschine-Matche spielen und das Ergebnis könne
dann auch wieder anders lauten.
Falls die Waagschale sich schließlich einmal eindeutig zugunsten der Computer
neigen werde, würde das aber für das Schach zwischen Menschen keine besonderer
Bedeutung haben. Schließlich habe es auch nach der Erfindung des Autos weiterhin
Laufwettbewerbe gegeben.
Matchdirektor des Wettkampfes ist Joseph Resch.
Joseph Resch: Initiator des Wettkampfes
Ihm und seiner UEP ist es zu verdanken, dass der Wettkampf
überhaupt ins Leben gerufen werden konnte. Bevor die RAG als Hauptsponsor
gefunden werden konnte, hatte Joseph Resch den Stein mit erheblicher finanzieller Vorleistung ins Rollen gebracht.
Zum Abschluss des Informationsteils der Pressekonferenz, die von
RAG-Kommunikator Christian Kullmann geleitet wurde, gab Dr. Helmut Pfleger noch
einen kurzen Abriss der Geschichte des Computerschachs, angefangen vom
Schachtürken bis zu den Mensch-Maschine Wettkämpfen der jüngeren Zeit.
Dr.Pfleger, Kullmann, Dr. Müller
RAG-Vorstand Dr. Müller hatte sich zuvor als beständiger
Zuschauer der WDR-Schachsendungen mit Dr. Pfleger zu erkennen gegeben, die
"irgendwann zu nächtlichen Zeiten" begannen und verhinderten, dass er
rechtzeitig schlafen gehen konnte, weil er das immer sehr spannend fand.
Der Abschluss der Veranstaltung gehörte Großmeister Klaus Bischoff. Der
mehrfache deutsche Meister hatte sich für eine Blitzpartie gegen die aktuelle
Version von Deep Fritz zur Verfügung gestellt, um den Journalisten die
Eigenheiten des Kampfes zwischen Mensch und Maschine zu demonstrieren. "Ist das
nicht ein wenig unfair, Blitz gegen einen Computer", hatte Peer Steinbrück den
Fritz-Coprogrammierer Mathias Feist gefragt.
Klaus Bischoff opfert sich zu Demozwecken
Da war wohl etwas dran. Aber da Klaus Bischoff ein
freundlicher Mensch ist, unterzog er sich ohne Murren auch dieser Prüfung. Das
Notebook, auf dem er am Bildschirm gegen die Technik antrat, sah dabei
unschuldiger aus, als es tatsächlich war. Tatsächlich berechnete der aktuelle
Fritz auf dem verwendeten Siemens Fujitsu 1,6 Mhz. Core Duo Gerät etwa genauso
viele Stellungen pro Sekunde wie vor vier Jahren die damalige Fritzversion auf
dem Achtprozessorrechner gegen Kramnik in Bahrain.
Entsprechend schwierig gestaltete sich die Partie für den GM.
Nach tapferer Gegenwehr musste er schließlich die Waffen strecken, obwohl Dr.
Pfleger ihn in seiner Live-Kommentierung nach Kräften moralisch unterstützte.
In den anschließenden Interviews, erklärten Dr. Werner Müller und Peer
Steinbrück unisono, dass eine eventuelle Niederlage Kramniks keine "Schande"
für die Menschheit sei. Man müsse sich daran gewöhnen, dass Technik in vielen
Disziplinen immer besser würde oder sogar überlegen sei.
Fototermin: Kramnik mit und ...
...ohne Minister.
ChessBase-Geschäftsführer Matthias Wüllenweber erläuterte, warum Mensch-Maschine-Wettkämpfe so reizvoll sind:
Matthias Wüllenweber (ChessBase)
Es sei interessant, zu beobachten, wie zwei ganz
unterschiedliche Entitäten auf völlig verschiedene Arten an die Aufgabe Schach
heran gingen, aber dennoch meistens zu gleichen Ergebnissen kommen würden, so
dass sie gehaltvolle Partien miteinander spielen könnten.
Matchplakat: Würden Sie ihre Schachfiguren diesem Roboter
(rechts) anvertrauen?
Roboterleute: Rainer Woisin, Jeroen van den Belt und André Schulz
von ChessBase
Für das Schach in Deutschland ist ein Konzern wie die RAG ein
großartiger Partner, der die Schachpräsentation weit nach vorne bringt. Alle
anwesenden Schachjournalisten haben schon mit der gestrigen Pressekonferenz
einen sehr intensiven Eindruck davon bekommen, auf welche logistischen
Möglichkeiten die RAG zurück greifen kann.
Auch der Event in der Bundeskunsthalle wird sicher in enormen
Maße davon präsentieren. Wer dort zuschauen möchte, sollte sich möglichst früh um Karten kümmern.
Es könnte voll werden, da in der Bundeskunsthalle gleichzeitig die Guggenheim-Ausstellung stattfindet.
"Autogramm...?"
"Sofort!"
Text: André Schulz
Fotos: Frederic Friedel, Jeroen van den Belt.