Im Laufe des letzten
Jahres haben einige ganz neue Programme beachtliche Erfolge im Spiel gegen
etablierte Spitzenprogramme wie Shredder oder Junior erzielt. So konnte z.B. der
Newcomer Zap!Chess den Titel des Computerschachweltmeisters 2005 erringen. War
das für Sie eine große Überraschung?
Ja, das Zap!Chess in Reykjavik
gewonnen hat, war sicher eine sehr große Überraschung, allerdings nicht nur für
mich. Sehr bald haben wir aber schon die nächste Weltmeisterschaft, diesmal in
Turin. Ich bin für Shredder guter Dinge und man wird sehen, ob Reykjavik nur
eine Eintagsfliege war.
Was macht diese neuen Programme so
stark?
Eine sehr gute Frage, wenn ich das wüsste. Bei Zap!Chess war aber sicher die
gute Unterstützung der sehr guten und parallelen Hardware ein wichtiger Aspekt.
Zap!Chess hat aus seinem Rechner wohl das Beste rausgeholt. Gute Hardware ist
bei uns im Computerschach immer ein sehr wichtiger Punkt.
Seriensieger mit Shredder: Stefan Meyer-Kahlen
Ist dadurch für die
professionellen Engine-Programmierer eine neue Situation entstanden?
Konkurrenz belebt das Geschäft.
Ich persönlich freue mich über die vielen neuen und guten Programme. Ich kann
z.B. nun einfacher noch Schwächen in Shredder finden und neue Anregungen für
die Verbesserung von Shredder bekommen.
Großmeister arbeiten bei
der Analyse trotzdem nach wie vor in der Regel mit Fritz oder Shredder. Wie
passt das zusammen? Haben die Schachprofis den neuesten Trend in Sachen
Computerschach verschlafen?
Ich denke, dass Großmeister
schon sehr genau wissen, was Sie hier tun. Vor allem die, die mit Schach ihr
Geld verdienen. Viele haben sich in der Vergangenheit an Shredder und Fritz gewöhnt
und kennen die Programme mit Ihren Stärken und Schwächen sehr genau. Sie
wissen also zum Beispiel, wann sie auf das Programm hören können und wann
nicht. Durch die lange Entwicklungszeit sind Shredder und Fritz auch sehr
ausgereift und machen nur noch selten wirklich Mist, diese Zuverlässigkeit
spielt meines Erachtens auch eine große Rolle.
Stefan Meyer-Kahlen bei der Lektüre.
Auf der Grundlage welcher
Kriterien muss man die Frage „Welches ist das beste Schachprogramm“ überhaupt
beantworten? Ist die beste Engine einfach diejenige, die in Engine-Matches die
meisten Punkte holt?
Man kann die Frage nach dem
besten Schachprogramm sicher nach vielen Kriterien beantworten und jeder hat
hier seine eigenen Präferenzen. Punkte in Enginematches spielen sicher eine
Rolle, aber auch die Fähigkeit zu einer exakten und verlässlichen Analyse oder
aber effizientes Lernen. Für viele spielt der Spielstil eines Programms sicher
auch eine große Rolle. Alles in allem ist es wohl sehr schwer, DAS beste
Schachprogramm zu ermitteln.
Wo liegen die ganz
praktischen Vorteile von Shredder gegenüber den Newcomern des letzten Jahres?
Abgesehen von den schon oben
erwähnten Punkten ist sicher die Fähigkeit von Shredder, bei einer
Partieanalyse sich das bisher analysierte gut zu merken und in der weiteren
Analyse effizient wieder zu verwenden eine große Rolle. Auch im Endspiel setzt
Shredder mit den neuen Shredderbases, das sind neue, sehr stark komprimierte
Endspieldatenbanken, neue Maßstäbe. Alle 3-, 4- und 5-Steiner zusammen sind in
den Shredderbases nur 157 MB groß. Im herkömmlichen Nalimovformat sind es 7500
MB. Durch diese starke Komprimierung und einen schnellen Zugriffsalgorithmus können
die Shredderbases komplett in den Arbeitspeicher geladen werden und man kann auf
sie ca. 1000 Mal schneller zugreifen als auf die Nalimovdatenbanken. Dadurch
kann Shredder nun viel öfters auf die Endspieldatenbanken zugreifen und wird
nur noch kaum gebremst.
Können Sie das für die
Leser an ein oder zwei Beispielen veranschaulichen?
In dieser Stellung zum Beispiel
Sieht Shredder mit den neuen
Shredderbases sehr schnell, dass Schwarz mit Kd5 remis halten kann. Ohne
Endspieldatenbanken oder mit den alten Nalimovdatenbanken braucht er viel länger,
um eine Remisbewertung anzuzeigen. Anderen Programmen geht es ebenso.
Die neue Version Shredder
10 kommt in diesen Tagen auf den Markt. In welchen Bereichen konnte das Programm
seine Spielstärke am meisten verbessern und durch welche Mittel konnte diese
weitere Steigerung erzielen?
Shredder legt nun mehr Wert auf
seine Mobilität und bewertet Freibauern nun viel besser. Aber auch an fast
allen anderen Punkten habe ich gearbeitet und versucht, sie noch weiter zu
verbessern. Vor allem aber die Shredderbases liefern in manchen Endspielen
bisher unerreichte Resultate.
Anwender fragen immer
wieder nach Dual Core oder 64bit. Was ist das überhaupt? Wie können Anwender
davon profitieren, und welche Voraussetzungen müssen von
Anwenderseite erfüllt sein?
Dual Core Prozessoren sind im Prinzip zwei Rechner in einem. Alle
Berechnungen können also theoretisch doppelt so schnell ausgeführt werden. Bei
Schachprogrammen ist er aber gar nicht so einfach, etwas intern parallel zu
machen. In der Shredderreihe ist die Deep Shredder-Version dazu in der Lage, sie
rechnet also auf einem Dual Core Prozessor ungefähr doppelt so schnell, was sie
ca. 60-70 Elo besser macht. Ein anderes Thema ist 64Bit. Der Hauptvorteil ist
hier, dass man für das ganze Programm mehr als 2 GB zur Verfügung hat, z.B. für
die Hashtabellen. Das ist nämlich die absolute Obergrenze bei 32 Bit
Programmen. Dies macht dann vor allem bei längeren Bedenkzeiten oder aber einer
langen Analyse Sinn.
In welche Richtung muss
die Weiterentwicklung von Shredder gehen, um sowohl gegen vorrangig auf
Rechentiefe ausgerichteten Programme als auch im Wettkampf gegen die
Weltklassespieler erfolgreich zu sein?
Auch hier spielen viele Punkte eine Rolle. Sicher ist es wichtig, das
Programm auch taktisch zu verbessern, denn man kann noch so schön spielen wie
man will: verliert man wegen einer taktischen Wendung Material, ist es meistens
vorbei. Meines Erachtens ist die Hauptschwäche der heutigen Programme aber ihr
positionelles Verständnis in einigen Stellungstypen, so dass ich versuchen
werde, hier den Hebel anzusetzen.