Interview mit Stefan Meyer-Kahlen

von ChessBase
23.05.2006 – Das Jahr 2005 brachte für Freunde des Computerschachs einige Überraschungen mit sich. Kaum jemand hätte nach der jahrelangen Dominanz der Spitzenprogramme Fritz, Shredder und Junior erwartet, dass es Amateur-Programme jemals wieder in die Weltspitze schaffen würden. Spätestens seitdem Zap!Chess im Sommer 2005 vor Shredder und Junior Weltmeister wurde, hat sich die Situation geändert. Pünktlich zum Erscheinen seiner neuen Version äußert sich Stefan Meyer-Kahlen über die neuen Herausforderungen und die Stärken seines neuen Programms Shredder 10. Mehr...

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Im Laufe des letzten Jahres haben einige ganz neue Programme beachtliche Erfolge im Spiel gegen etablierte Spitzenprogramme wie Shredder oder Junior erzielt. So konnte z.B. der Newcomer Zap!Chess den Titel des Computerschachweltmeisters 2005 erringen. War das für Sie eine große Überraschung?

Ja, das Zap!Chess in Reykjavik gewonnen hat, war sicher eine sehr große Überraschung, allerdings nicht nur für mich. Sehr bald haben wir aber schon die nächste Weltmeisterschaft, diesmal in Turin. Ich bin für Shredder guter Dinge und man wird sehen, ob Reykjavik nur eine Eintagsfliege war.

Was macht diese neuen Programme so stark?

Eine sehr gute Frage, wenn ich das wüsste. Bei Zap!Chess war aber sicher die gute Unterstützung der sehr guten und parallelen Hardware ein wichtiger Aspekt. Zap!Chess hat aus seinem Rechner wohl das Beste rausgeholt. Gute Hardware ist bei uns im Computerschach immer ein sehr wichtiger Punkt.


Seriensieger mit Shredder: Stefan Meyer-Kahlen

Ist dadurch für die professionellen Engine-Programmierer eine neue Situation entstanden?

Konkurrenz belebt das Geschäft. Ich persönlich freue mich über die vielen neuen und guten Programme. Ich kann z.B. nun einfacher noch Schwächen in Shredder finden und neue Anregungen für die Verbesserung von Shredder bekommen.

Großmeister arbeiten bei der Analyse trotzdem nach wie vor in der Regel mit Fritz oder Shredder. Wie passt das zusammen? Haben die Schachprofis den neuesten Trend in Sachen Computerschach verschlafen?

Ich denke, dass Großmeister schon sehr genau wissen, was Sie hier tun. Vor allem die, die mit Schach ihr Geld verdienen. Viele haben sich in der Vergangenheit an Shredder und Fritz gewöhnt und kennen die Programme mit Ihren Stärken und Schwächen sehr genau. Sie wissen also zum Beispiel, wann sie auf das Programm hören können und wann nicht. Durch die lange Entwicklungszeit sind Shredder und Fritz auch sehr ausgereift und machen nur noch selten wirklich Mist, diese Zuverlässigkeit spielt meines Erachtens auch eine große Rolle.


Stefan Meyer-Kahlen bei der Lektüre.

Auf der Grundlage welcher Kriterien muss man die Frage „Welches ist das beste Schachprogramm“ überhaupt beantworten? Ist die beste Engine einfach diejenige, die in Engine-Matches die meisten Punkte holt?

Man kann die Frage nach dem besten Schachprogramm sicher nach vielen Kriterien beantworten und jeder hat hier seine eigenen Präferenzen. Punkte in Enginematches spielen sicher eine Rolle, aber auch die Fähigkeit zu einer exakten und verlässlichen Analyse oder aber effizientes Lernen. Für viele spielt der Spielstil eines Programms sicher auch eine große Rolle. Alles in allem ist es wohl sehr schwer, DAS beste Schachprogramm zu ermitteln.

Wo liegen die ganz praktischen Vorteile von Shredder gegenüber den Newcomern des letzten Jahres?


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Abgesehen von den schon oben erwähnten Punkten ist sicher die Fähigkeit von Shredder, bei einer Partieanalyse sich das bisher analysierte gut zu merken und in der weiteren Analyse effizient wieder zu verwenden eine große Rolle. Auch im Endspiel setzt Shredder mit den neuen Shredderbases, das sind neue, sehr stark komprimierte Endspieldatenbanken, neue Maßstäbe. Alle 3-, 4- und 5-Steiner zusammen sind in den Shredderbases nur 157 MB groß. Im herkömmlichen Nalimovformat sind es 7500 MB. Durch diese starke Komprimierung und einen schnellen Zugriffsalgorithmus können die Shredderbases komplett in den Arbeitspeicher geladen werden und man kann auf sie ca. 1000 Mal schneller zugreifen als auf die Nalimovdatenbanken. Dadurch kann Shredder nun viel öfters auf die Endspieldatenbanken zugreifen und wird nur noch kaum gebremst.

Können Sie das für die Leser an ein oder zwei Beispielen veranschaulichen?

In dieser Stellung zum Beispiel

Sieht Shredder mit den neuen Shredderbases sehr schnell, dass Schwarz mit Kd5 remis halten kann. Ohne Endspieldatenbanken oder mit den alten Nalimovdatenbanken braucht er viel länger, um eine Remisbewertung anzuzeigen. Anderen Programmen geht es ebenso.

Die neue Version Shredder 10 kommt in diesen Tagen auf den Markt. In welchen Bereichen konnte das Programm seine Spielstärke am meisten verbessern und durch welche Mittel konnte diese weitere Steigerung erzielen?

Shredder legt nun mehr Wert auf seine Mobilität und bewertet Freibauern nun viel besser. Aber auch an fast allen anderen Punkten habe ich gearbeitet und versucht, sie noch weiter zu verbessern. Vor allem aber die Shredderbases liefern in manchen Endspielen bisher unerreichte Resultate.

Anwender fragen immer wieder nach Dual Core oder 64bit. Was ist das überhaupt? Wie können Anwender davon profitieren, und welche Voraussetzungen müssen von Anwenderseite erfüllt sein?

Dual Core Prozessoren sind im Prinzip zwei Rechner in einem. Alle Berechnungen können also theoretisch doppelt so schnell ausgeführt werden. Bei Schachprogrammen ist er aber gar nicht so einfach, etwas intern parallel zu machen. In der Shredderreihe ist die Deep Shredder-Version dazu in der Lage, sie rechnet also auf einem Dual Core Prozessor ungefähr doppelt so schnell, was sie ca. 60-70 Elo besser macht. Ein anderes Thema ist 64Bit. Der Hauptvorteil ist hier, dass man für das ganze Programm mehr als 2 GB zur Verfügung hat, z.B. für die Hashtabellen. Das ist nämlich die absolute Obergrenze bei 32 Bit Programmen. Dies macht dann vor allem bei längeren Bedenkzeiten oder aber einer langen Analyse Sinn.

In welche Richtung muss die Weiterentwicklung von Shredder gehen, um sowohl gegen vorrangig auf Rechentiefe ausgerichteten Programme als auch im Wettkampf gegen die Weltklassespieler erfolgreich zu sein?

Auch hier spielen viele Punkte eine Rolle. Sicher ist es wichtig, das Programm auch taktisch zu verbessern, denn man kann noch so schön spielen wie man will: verliert man wegen einer taktischen Wendung Material, ist es meistens vorbei. Meines Erachtens ist die Hauptschwäche der heutigen Programme aber ihr positionelles Verständnis in einigen Stellungstypen, so dass ich versuchen werde, hier den Hebel anzusetzen.

 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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