Fritz8 und Fritz9 Engine im Vergleich
Fritz9 wurde gegenüber den Vorgängerversionen vor allem im Bereich des
positionellen Verständnisses verbessert. Die Struktur einer Stellung im
Schach wird vor allem durch das Bauernskelett bestimmt. Fritz9 besitzt in
Bezug auf Bauernstrukturen und Bauernformationen eine bessere Bewertung als
die Vorgängerversionen. Ein neuralgischer Bereich im Computerschach ist das
Thema Königssicherheit. Anders als menschliche Spieler wissen Schachengines
oft nicht, dass ihrem König Gefahr droht, weil die langfristigen Folgen
eines Königsangriffs jenseits des Rechenhorizonts liegten. Im reinen
Computerschach kommt diese Schwäche oft nicht zur Geltung, weil beide
Engines auf diesem Auge blind sind. Bei den Vergleichen zwischen Mensch und
Computer kann ein starker Spieler diese Schwäche aber gezielt ausnutzen.
Fritz9 wurde auch im Verständnis der Königssicherheit verbessert. Dies wirkt
sich nicht nur in der Verteidigung positiv aus, sondern auch beim Entdecken
einer geschwächten gegnerischen Königssicherheit.
Neben der Verbesserung des "Schachwissens" wurden in Fritz9 auch
die Suchalgorithmen im Hinblick auf eine effizientere Suche weiter
optimiert.
Bei den folgenden Beispielen wurde Fritz8 und Fritz9 im Parallelbetrieb
unter der CB9-Oberfläche als Analyseengines aufgerufen (auf einem Dell 1,6 Ghz, 64 Hash). Sie
vermitteln einen Eindruck von der veränderten Arbeitsweise der
Fritz9-Engine.
Beispiel 1
Diese Position entstand in der 3.Partie des Wettkampfes zwischen dem
FPGA-Rechner Hydra und Michael Adams. Hydra spielte nun den weitsichtigen
Zug 26.Ta6, nach dem die schwarze Stellung sehr schwierig wird.
Im Engine-Vergleich zwischen Fritz8 und Fritz9 sieht die aktuelle Version
recht bald die Kraft des Zuges 26.Ta6, während Fritz8 noch andere
Möglichkeiten prüft.
Ein paar Züge später ist der weiße Turm eingedrungen und Fritz9 sieht fast
sofort, wie die Partie entschieden werden kann. Sein Vorgänger muss länger
rechnen.
Beispiel 2
Diese taktisch brisante Position entstand in der Partie Ivanschuk-Jussupov,
Kandidatenturnier 1991, Stichkampf
Fritz8 und Fritz9 sehen beide rasch die kritische Variante mit 28...Tg6,
doch Fritz9 kommt bei gleicher Rechenzeit tiefer in die Variante hinein und
bewertet sie in der vorgegeben kurzen Rechenzeit zwar an dieser Stelle noch
nicht ganz richtig, aber schon deutlich besser als Fritz8.
Ein paar Züge später:
Fritz9 ist im Vergleich zu Fritz8 schneller und präziser und sieht die
entscheidende Wendung während Fritz8 noch nicht richtig Bescheid weiß.
Beispiel 3
Sunye Neto-Kasparov, wtch 1981
In dieser taktisch brisanten Position einer Partie des jungen Kasparov kann
Fritz9 im Gegensatz zu seinem Vorgänger die Züge des künftigen Weltmeister
haargenau voraussagen:
In der Partie wich Neto ab und verlor noch schneller
Beispiel 4
Zapata-Tal, 1987
In dieser Partie riss Tal mit einem genauen Manöver die Initiative an sich.
Während der von Fritz8 bis dahin berechnete Weg weniger genau ist, kann
Fritz9 zur gleichen Zeit schon auf Tals Wegen wandeln.
Beispiel 5
Short gegen Torre, 1990
Durch bessere Beurteilung der kritischen Varianten kann Fritz9 im Gegensatz
zu seinem Vorgänger die Folgen eines weitreichenden Figurenopfers besser
abschätzen.
Beispiel 6
Leko-Shirov, Linares 2004
Fritz9 folgt der strategischen Vorgabe, so wie sie Huzman in seinem
Kommentar zur Partie erläutert hat. Der Abtausch der Damen kommt in dieser
konkreten Stellung mit ungleichfarbigen Läufern Weiß zugute. Fritz9 versteht
diese Stellungsanforderung und will den gleichen Zug wie Leko spielen,
Fritz8 versteht es nicht.
Der Stellungserklärer
Eine ganz neue Funktion in Fritz9 ist der "Stellungserklärer".
Dieser ist eine eigene Schachengine, die im Gegensatz zu anderen Engines
keinen numerischen Wert zur Stellungsbewertung ausgibt, sondern in
sprachlicher Form auf bestimmte Merkmale der Stellung hinweist. Die Funktion
ist in erster Linie für Neulinge gedacht, um diesen einen kurzen Eindruck zu
vermitteln, was im Moment auf dem Brett passiert buw. zuletzt passiert ist.
Allerdings ist die Funktion auch für bessere Spieler z.B. beim Betrachten
von Partienübertragungen auf dem Fritzserver im neuen Multibrett sehr
interessant, weil sie beim Anklicken eines Brettes sprachlich informiert,
was in dieser Partie gerade passiert.
Die folgenden Bilder zeigen den Europapokalwettkampf zwischen Tomsk und NAO.
Alle Bretter können in Fritz9 jetzt in einem Fenster angezeigt werden.
Wird ein Brett angeklickt (gelber Rahmen) wird dort die Notation angezeigt.
Eine geladenen Engine rechnet dann an dieser Stellung. Im Beispiel sagt der
Stellungserklärer, was gerade passiert ist.
Der Angriff auf b2 wird angezeigt. Die normale Fritz9-Engine
und jede andere Schachengine würde bei der Berechnung hier nur den Verteidigungszug
anzeigen, aber nicht erklären, warum er notwendig ist.
Hier werden vom Stellungserklärer schon einige komplexere
positionelle Angaben gemacht: Besetzung des Blockadefeldes und
Spielmöglichkeiten aufgrund von Raumvorteil.
In dieser Partie ist nichts passiert. Das Schlagen ist nur ein einfacher
Abtausch.
Neue Trainingsmöglichkeiten
Neben den zahlreichen schon in den Vorgängerversionen vorhandenen Trainings-
und Analysefunktionen, sind in Fritz9 einige neue Trainingsteste
hinzugekommen. Dabei werden aus einer vorgegebenen Datenbank
Partiestellungen geladen, in denen man schnell Schlagmöglichkeiten,
Schachgebote und ungedeckte Figuren entdecken und anklicken soll. Diese
Trainingsform verbessert das taktische Sehvermögen.
Aufruf des Trainings mit mehreren Optionen zum Laden von Datenbank und
Partie.
Welche Schachgebote sind für Weiß und Schwarz jeweils möglich? Als Antwort
soll man die entsprechenden Figuren anklicken. Ist die Aufgabe gelöst, wird
die nächste Position geladen.
In dieser Aufgabe sollten alle ungedeckten Figuren angeklickt werden. Wird
die Aufgabe in der vorgegebenen Zeit nicht gelöst, wird die richtige Lösung
angezeigt, wonach man den Test wiederholen oder fortführen kann.