Interview mit Vladimir Kramnik

von ChessBase
08.05.2005 – Vladimir Kramnik war in Deutschland, sah sich in Dortmund den Boxkampf seines Freundes Wladimir Klitschko an und bereitete sich nun mit seinem Sekundanten auf seine Turnierauftritte in Sofia (Mtel-Turnier) und Dortmund (Sparkassen-Chess-Meeting) vor. Zuvor stand Anfang Mai noch das Saisonfinale der Französischen Meisterschaft auf dem Programm, wo Kramnik mit seinem Verein, dem NAO Chess Club, am Wochenende den Titel verteidigte. Dagobert Kohlmeyer führte ein Interview mit dem Schachweltmeister, in dem dieser u.a. zu den Themen Bobby Fischers Freilassung, Weltmeisterschaft im Schach und Modus einer Wiedervereinigung, Kasparovs Rücktritt und dessen Engagement in der russischen Politik Stellung nimmt. Auch Kramnik sieht sich bereits als Veteran im Vergleich zur kommenden Generation von Spitzenspielern wie Radjabov, Karjakin oder Carlsen und hat bereits ein Ende seiner eigenen Karriere ins Auge gefasst. Das Interview erschien heute in einer gekürzten Fassung in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Hier der volle Wortlaut. Zur FAZ...Interview mit Vladimir Kramnik...

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„Alles ist relativ!“
Wladimir Kramnik über Boxen, Bobby Fischer, Garri Kasparow und Albert Einstein

Von Dagobert Kohlmeyer

Wladimir Kramnik hat sich in den letzten Wochen rar gemacht. Der Schachweltmeister aus Russland tauchte ab und bezog in Deutschland ein Trainingslager, wo er sich mit einem Sekundanten auf die nächsten Turniere vorbereitete. Zwischendurch besuchte der Moskauer den Boxkampf seines Freundes Wladimir Klitschko in der Dortmunder Westfalenhalle. Der Berliner Schachpublizist Dagobert Kohlmeyer hat Kramnik in seinem Versteck aufgespürt und sich mit ihm unterhalten. In dem Gespräch, das die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung heute in Auszügen veröffentlicht, geht es auch um Albert Einstein und die spannende Frage, wann der Russe seine Schachkarriere beenden wird. Hier der volle Wortlaut des Interviews.

Was zieht einen Schachweltmeister zum Boxen?

Diesen Sport mag ich seit meiner Kindheit. Ich meine nicht einfach Boxen, sondern Kämpfe auf hohem professionellem Niveau. Es war schon der dritte Fight eines der Klitschko-Brüder, den ich miterlebt habe. Wladimir sah in Dortmund sehr überzeugend aus und kehrt jetzt sicher auf eine Position in der Weltrangliste zurück, die er schon früher eingenommen hat. Zu den beiden Klitschkos habe ich eine sehr gute persönliche Beziehung. Wenn ich die Möglichkeit habe, dann schaue ich ihnen mit Vergnügen zu. Und es freut mich, wenn sie auch mir bei meinen Schachwettkämpfen die Daumen drücken.

Garri Kasparow hat sich vom Profischach verabschiedet und Bobby Fischer in Island wohl endgültig ein ruhiges Plätzchen gefunden. Wie kommentieren Sie als aktueller Schachkönig diese Ereignisse?

Es ist gut, dass man Bobby Fischer befreit hat. Ich hoffe, er kann jetzt in Reykjavik in Ruhe leben. Wir alle verdanken ihm sehr viel für die Entwicklung des Profischachs. Ich habe Fischers Partien gründlich studiert und bin der Ansicht, dass er aus heutiger Sicht bereits ein Klassiker des Schachs ist, so wie Capablanca und die anderen Großen der Zunft es waren.

Und Kasparows Entschluss, die Schachbühne zu verlassen?

Ich meine, sein Rücktritt hat nicht direkt etwas mit dem Schach zu tun. Es sind wohl  seine politischen Ambitionen, die ihn zu diesem Schritt bewogen haben. Eines darf man nicht vergessen. Wenn man auf einem neuen Gebiet ernsthaft arbeiten will, dann kann man das nur schwer mit einer Schachkarriere vereinbaren. Es ist doch eindeutig, dass unser Spiel einen gewaltigen Aufwand an Zeit und Energie erfordert. Kasparow hat, so denke ich, einfach für sich entschieden, dass jetzt die Politik Vorrang haben soll.

Auf diesem Gebiet dürfte es aber schwierig für ihn werden, so viel Erfolg zu haben wie im Schach.

Schwer zu sagen. Mehr als er im Schach erreicht hat, kann man praktisch in einem anderen Bereich nicht schaffen. Aber Menschen können sich weiter entwickeln und Erfahrungen sammeln.

Kasparow legt sich öffentlich mit Präsident Putin an. Ist das nicht zu gefährlich?

Das ist ein Vorbehalt des Westens. Ich kenne diese Meinung, in Russland herrsche Totalitarismus. Mir gefällt auch nicht besonders, dass sich Kasparow jetzt hinstellt und sagt, er wolle mehr Demokratie bei uns schaffen. Sicher gibt es Missstände, keine Frage. Aber ich lebe in diesem Land und kann beobachten, dass es mehr oder weniger demokratisch zugeht. Es gibt eine Menge Leute, die gegen Putin auftreten und ihnen passiert überhaupt nichts. Ein großer Teil der russischen Presse ist klar oppositionell, sie existiert einfach, und niemand tut etwas gegen sie. Klar, dass man für die Haltung, die Kasparow einnimmt, viel leichter Unterstützung im Westen bekommt. Ich denke aber, für ihn besteht keinerlei persönliche Gefahr.

Nun, ein erregter Kundgebungsteilnehmer hat Kasparow vor kurzem in Moskau ein Schachbrett auf den Kopf geschlagen…

Ich habe von der Sache gehört. Das war ganz sicher ein Einzelfall. Wie wir wissen, gibt es psychisch gestörte Leute, die solche Dinge tun. Es war offensichtlich kein Angriff der Mächtigen auf Kasparow. Ich werde mit Interesse verfolgen, welche Position er einnimmt, wie er sich in der Politik entwickeln wird. Nicht einverstanden bin ich mit Kasparows Ansicht, dass Russland ein total unzivilisiertes Land ist. 

Zurück zum Schach. Sie nennen sich „Weltmeister im klassischen Schach“. Wer hat sich eigentlich diese Bezeichnung ausgedacht?

Weder ich, noch mein Management, wie mitunter behauptet wird. Wir mussten gar nichts neu erfinden. Diesen Titel gibt es praktisch seit Wilhelm Steinitz. Er war der erste offizielle Schachweltmeister, auch wenn Morphy und Anderssen davor schon in Zweikämpfen versuchten, den stärksten Spieler der Welt zu ermittelten. Seit Steinitz gibt es diese klassische Linie der Champions, an deren Ende ich stehe. Wie man die Sache auch nennt, ob klassische Weltmeisterschaft oder nur Weltmeisterschaft, ist egal. Die Formulierung ist zweitrangig. Wichtig ist allein, dass die über ein Jahrhundert währende, gute Tradition fortgesetzt wird.


Kramnik und Matthias Feist in Bahrain

Beinahe müßig, Sie zu fragen, wie der Vergleich zwischen dem Gewicht Ihres Titels und dem des FIDE-Weltmeisters ausfällt….

Ich halte meinen Titel für wertvoller. Damit stehe ich übrigens nicht allein. Die überwältigende Mehrheit der Leute und die meisten Schachspieler sehen das ebenso. Denn die Knockout-WM der FIDE trägt doch nur experimentellen Charakter. Hätte ich die Wahl zwischen beiden Titeln, würde ich keine Sekunde daran zweifeln, dass es richtig ist, die Schachkrone traditionell im Zweikampf gegen den amtierenden Weltmeister zu erringen. Umso mehr, weil es in meinem Falle ein Schachspieler solchen Maßstabs wie Kasparow war. Über diesen Umstand bin ich natürlich sehr froh. Und ich werde mich darum bemühen, dass diese klassische Linie der Weltmeisterschaft beibehalten wird.

Es gibt nicht wenige Stimmen, die beklagen, dass mit Kasparow nun die Galionsfigur in der Szene fehlt…

Für die Schachwelt ist es natürlich sehr schade, dass es Kasparow jetzt in ihr nicht mehr gibt, dass er keine Turniere mehr spielt. Aber es ist eine normale menschliche Entscheidung und absolut verständlich, weil der Mann in seiner Karriere schon alles erreicht hat. Jetzt möchte er sich eben auf einem anderen Gebiet beweisen. Das hängt mit seiner inneren Welt zusammen und sicher auch etwas damit, dass er schachmüde geworden ist. Bedenken Sie nur, wie viele Jahre er Schachprofi war.

Irgendwann wird der Name Kasparow aus der FIDE-Rangliste gestrichen. Wer ist für Sie denn im Moment der stärkste Schachspieler in der Welt?

Die Situation ist sehr einfach. Es gibt bestimmte Titel, die ein Sportler oder eine Mannschaft erringen können. Nehmen wir Fußball. Brasilien ist Weltmeister, ganz klar. Aber wer momentan das stärkste Team ist, das ist schon eine spekulative Frage. Dem einen gefällt Brasilien, dem anderen Argentinien, ein Dritter findet, dass Italien sehr stark ist. Das ist immer eine Momentaufnahme. Auch für das Schach gilt dies.


Kramnik beim WM-Kampf in Brissago

Nennen Sie dennoch ein paar Namen!

Anand ist zurzeit bester Schnellschach-Spieler auf der Welt. Daran gibt es nicht den geringsten Zweifel. Ich kann jedoch nicht sagen, dass er im klassischen Schach, also mit normaler Bedenkzeit, Spielern wie mir oder Leko oder Topalow überlegen ist. Topalow hat sich zuletzt sehr gesteigert, niemand weiß aber, ob das so weiter geht. Leko hat das WM-Match gegen mich in Brissago großartig gespielt und in Wijk aan Zee gewonnen. Ich siegte voriges Jahr in Linares und Monaco. So betrachtet, gibt es mehrere Kandidaten für die Nr. 1.

Wie bewerten Sie generell diese ganze Diskussion?

Ehrlich gesagt, verwundert sie mich etwas. Die Frage, wer bester Schachspieler der Welt ist, kam eigentlich erst vor ein paar Jahren verstärkt auf, nachdem ich Kasparow in London geschlagen hatte. Viel einfacher wäre es doch zu fragen: Wer ist der amtierende Weltmeister? Die Antwort darauf ist klar und eindeutig.

In einem offiziellen Statement haben Sie jetzt erklärt, nicht am FIDE-Turnier der acht weltbesten Schachspieler teilzunehmen, das im Herbst in Argentinien stattfinden soll. Warum?

Da müssen wir ins Jahr 2002 zurückgehen, wo alles in Prag begann. Die dortige Vereinbarung war nicht meine Initiative, sondern die der FIDE. Ich war nicht dagegen und bin auf diese Vereinbarung eingegangen. Ich habe ja meinen Teil der Vereinbarung auch erfüllt, spielte das WM-Match gegen Peter Leko und verteidigte meinen Titel. Deshalb kann ich überhaupt nicht verstehen, warum die ungelösten Probleme mit dem FIDE-Match irgendwie meine Situation beeinflussen. Logisch ist das nicht.

Was meinen Sie: Kommt die FIDE aus ihrer Sackgasse heraus?

Nur durch Fairness. Was auch immer sie versucht haben oder jetzt tun, um einen Champion zu ermitteln; durch ein Duell Kasparow - Ponomarjow, Kasparow - Kasimdschanow oder durch ein Turnier, ist mir egal. Mich betrifft nur eine Sache: Ich bin bereit, das Vereinigungsmatch gegen den FIDE-Weltmeister um den Titel zu spielen. Wie sie meinen Gegner ermitteln, ist ihr Problem. Darum verstehe ich nicht, dass jetzt alles vermischt wird. Warum soll ich ein Turnier mitspielen? Um mich zu qualifizieren? Warum ändern sie die Bedingungen für mich? Ich kann keinen einzigen Grund dafür finden, jetzt die Beschlüsse von Prag entscheidend zu verändern. Noch einmal: Ich bin gewillt, gegen den Sieger dieses Turniers in Argentinien, (so es stattfindet) anzutreten.

Welches sind Ihre nächsten Pläne?

Anfang Mai spiele ich für meinen Pariser NAO Chess Club beim Finale der französischen Mannschaftsmeisterschaft. Wir haben schon zweimal in Folge gewonnen und auch in diesem Jahr gute Chancen, den Titel zu verteidigen. Danach fliege ich nach Sofia zum „Mobitel Masters, wo „ich unter anderen auf Anand, Topalow und Judit Polgar treffe. Im Juli steht traditionell das Chess Meeting in Dortmund auf meinem Turnierprogramm. 


Nahed Ojjeh, Sponsorein des NAO Chess Clubs und Wladimir Kramnik

Judit Polgar ist eine interessante und starke Spielerin. Die Ungarin hat schon den Skalp von Karpow und Kasparow erbeutet. Ihren aber noch nie...

Stimmt. Aber mit der Statistik ist das so eine Sache. Jede Serie geht einmal zu Ende. Auf das Turnier in Bulgarien freue ich mich. Es wird sehr interessant. Ich versuche dort, um den ersten Platz zu kämpfen. Es ist gut, dass ein neuer Ort und neue Organisatoren im Schachatlas auftauchen. Wir brauchen starke Sponsoren wie die Firma Mobitel. Das Turnier in Sofia zeigt, dass Schach derzeit nicht nur in der Krise steckt, sondern, dass wir auch positive Momente erleben.

Was sagen Sie zum dortigen Reglement, das schnelle Remispartien verbietet?

Das begrüße ich. Ich weiß, dass manche Leute mir vorwerfen, zu viele Remis zu machen. Aber das entspricht nicht ganz den Tatsachen. Sollen sie sich mal genau meine Turnierstatistiken ansehen. Was die Regelung in Sofia angeht, so finde ich es durchaus richtig, dass man eine Partie nicht vor dem 30 oder 35 Zug unentschieden beenden soll. Es sei denn, es gibt ein Dauerschach, oder die Stellung ist theoretisch remis. Zum Beispiel in einem Turmendspiel, wenn jeder noch drei Bauern hat, die sich gegenüber stehen. In dem Falle wäre es Nonsens, noch weiter zu spielen.

Die Spielerorganisation Association of Chess Professionels (ACP), von der manche sagen, es ist Kramniks Freundeskreis, wirkt jetzt etwa ein Jahr. Wie unterscheidet sie sich von dem Modell der Professional Chess Association (PCA), das Kasparow vor einem guten Jahrzehnt kreierte?

Diese Jahre (Mitte der 90er) waren keine schlechte Zeit für uns Schachprofis. Die Idee mit dem Schnellschachzyklus und starken Sponsoren war okay und zunächst auch sehr erfolgreich. Dann aber, so scheint mir, hat Kasparow irgendwann einen Schritt zurück gemacht, und die Sache scheiterte. Ich will jetzt darüber nicht richten, sondern nur klarstellen, dass die ACP eine ganz andere Organisation ist, weil sie eine völlig andere Struktur hat.

Erläutern Sie bitte deren Aufbau.

Es ist eine Art Spielergewerkschaft. Alle Mitglieder ihres Büros sind demokratisch gewählt worden. Das zeugt davon, dass viele Schachspieler Vertrauen zu mir und diesen Leuten haben. Da gibt es schon prinzipielle Unterschiede zur PCA oder zur FIDE. Es hat sich eben so ergeben, dass einige Büromitglieder bzw. Mitglieder der ACP gute Freunde von mir sind. Das ist einerseits ein Zufall, andererseits kein Manko. Im Gegenteil, es ist positiv für die Arbeit. Und es gibt dort nicht nur zwei Gründungsmitglieder - wie damals Kasparow und Short bei der PCA -, sondern viele, die aktiv mitziehen. Wir sind ein eingespieltes Team, das auf demokratischer Grundlage arbeitet.

Wenn die FIDE ihren Job so schlecht macht, ist dann vielleicht die ACP der einzige Ausweg?

Ich würde nicht generell sagen, dass die FIDE schlecht arbeitet. Wenn es ihr gelingt, das Turnier in Argentinien durchzuführen, dann wäre das kein schlechtes Ergebnis. Was mich hingegen beunruhigt, ist die Tatsache, dass der Weltverband nicht auf die Meinung der Spieler hört. Dies ist nicht nur meine persönliche Ansicht, sondern die der anderen Betroffenen auch. Unsere Meinung darf aber nicht ignoriert werden. Und hier ist die ACP gefragt. Ich hoffe sehr, dass sie eine entscheidende Rolle in der Schachwelt spielen wird.

Das kann aber einige Zeit dauern.

Sie muss noch Kräfte sammeln. Ich hoffe, die ACP wird sich positiv entfalten und zu einer starken Gewerkschaft, so wie es sie in allen entwickelten Ländern gibt. Wie zum Beispiel in Frankreich oder Deutschland, wo die Gewerkschaften die Rechte der Werktätigen verteidigen. Ich sehe, wie stark sie sind. Es ist nicht so einfach mit ihnen fertig zu werden. Und die Rolle der ACP sehe ich ähnlich. Neben ihrer Aufgabe, Turniere zu organisieren, sollte sie vor allem ein Glied zwischen FIDE und Spielern zu sein. Sie wird kein schlechtes Verhältnis zwischen der Föderation und den Schachprofis zulassen. Es muss eine Form (ein Mechanismus) des normalen Umgangs miteinander entwickelt werden wie in allen zivilisierten Ländern.

Gut und richtig, aber hängt nicht alles auch von Sponsoren ab? Ohne sie geht im heutigen Spitzensport überhaupt nichts, und möglicherweise wird es jetzt ohne Kasparow schwerer, Geldgeber für das Schach zu finden?

Noch können wir das nicht beurteilen. Ich denke, wenn wir Sponsoren finden wollen, dann müssen wir als erstes die Schachwelt in Ordnung bringen. Das ist der wichtigste Schritt. Alles muss klar sein, das heißt, es sollte nur einen einzigen Schachweltmeister und keine Konflikte mehr geben. Diese Dinge sind unabdingbar, damit die Sponsoren zu uns kommen. Alles andere sind dann schon Detailfragen, die in kleinen Schritten gelöst werden können. Ich bin davon überzeugt, dass die Sponsoren auftauchen, sowie sich die Situation im Schach verbessert.

Kasparow hat mit knapp 42 Jahren seinen Hut genommen. Sie werden im Juni 30. Wie lange wollen Sie noch aktiv Schach spielen?

30 Jahre, das ist kein hohes Alter, aber als Schachspieler fühle ich mich doch schon etwas wie ein Veteran. Noch interessiert mich Schach, und ich werde weiter spielen. Natürlich wird es immer schwerer, denn da gibt es eine Menge junger Talente, die an die Tür klopfen. Es ist die Generation von Radjabow, Karjakin oder Carlson. Das sind bereits starke Großmeister. Was mich betrifft, so werde ich nicht bis an mein Lebensende aktiv Schach spielen. Vielleicht noch zehn Jahre, mehr auf keinen Fall. Sagen wir bis zum 40. Lebensjahr - das ist das Maximum.

Wow! - Und was kommt nach dem Schach bei Ihnen, etwa auch die Politik?

Schwerlich. Eher hat es mir die Kunst angetan. Das werden wir dann sehen. Leider habe ich es versäumt, Klavier spielen zu lernen. Dafür ist es nun zu spät. Ich mag es aber nicht, sehr weit voraus zu schauen. In fünf, sieben oder zehn Jahren wird es vielleicht eine neue Lebenssituation für mich geben, und dann werde ich mich für etwas entscheiden. Im Moment fesselt mich das Schach genug, und ich möchte dort noch einiges erreichen. Mit Konkurrenten hatte ich nie persönliche Probleme. Wenn ein Großmeister von den Jungen mich in fünf Jahren in einem Match besiegt, dann ist es an der Zeit zu gehen.

Schachweltmeister gehören zu den klügsten Menschen. Wir haben gerade das Einstein-Jahr. Verstehen Sie die Relativitätstheorie?

Lassen Sie mich mit einem unserer bekannten Sprichwörter antworten: „Worin besteht der Unterschied zwischen Fußball und Schach? Er liegt darin, dass alle Fußball verstehen, aber keiner gut spielt. Und Schach spielen alle, aber keiner versteht es.“ Alles ist eben relativ (lacht). 

Sehr schön. Einstein sagte einmal: „Wenn du ein glückliches Leben willst, verbinde es mit einem Ziel...“ Welche Ziele hat Wladimir Kramnik noch?

Nun, jeder Mensch hat im Prinzip ein großes Lebensziel. Zu verschiedenen Zeiten stellt man sich kleine Ziele. Eines davon habe ich erreicht: Ich bin Schachweltmeister geworden. Ich stelle mir immer kleine Ziele und gehe sie step by step an. Das viel größere Ziel ist und bleibt, ein glücklicher Mensch zu sein und eine Familie zu haben. So eine Gemeinschaft ist wunderbar. Sie stört auch nicht beim Schach…

Danke, Wladimir, für das Gespräch!

 

 

P.S. für alle Einstein-Fans:

Der große Gelehrte hatte etwas für Schach übrig. Eine langjährige Freundschaft verband ihn mit dem deutschen Weltmeister Emanuel Lasker. Bei ihren Treffen unterhielten sich die beiden Koryphäen aber mehr über Mathematik und Philosophie. Hin und wieder bewegte Einstein auch selbst die Figuren. So spielte er in Amerika gern gegen den deutschen Physiker Robert Oppenheimer (einer der „Väter“ der Atombombe). Überliefert ist folgende wilde Partie der beiden Wissenschaftler.

Einstein - Oppenheimer...

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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