Letzten Sonntag fand im estnischen Pärnu ein
Vergleichskampf zwischen den beiden baltischen Ländern Lettland und Estland an
100 Brettern statt. Die Veranstaltung kann bereits auf eine Geschichte von
bald 30 Jahren zurückblicken. Der erste Vergleich dieser Art fand schon 1976
statt und wurde danach insgesamt weitere neunmal durchgeführt mit einem
Gesamtergebnis nach Wettkämpfen von 4,5:4,5. Da Estland diesmal Gastgeber war,
gab es ein gute Chance, den Heimvorteil zu nutzen, um in Führung zu gehen.
Der Wettkampf wurde an 100 Brettern gespielt. Die beiden Nachbarländer traten
mit drei Teams gegeneinander an. Einer Frauenmannschaft mit je 10 Brettern,
einer Juniorenmannschaft, bei der die Bretter nach Altersgruppen
U18, U16, U14, U12 und U10
gestaffelt waren, ebenfalls mit 10 Brettern und einem Männerteam mit je 80
Brettern.
An den Spitzenbrettern trat Estland mit
Kaido Kulaots (2572), der gerade aus Gausdal angereist war,
Kanep Meelis (2474), Alexander
Veingold (2465) und Olav Sepp (2461) an.
Lettland hielt mit dem dreimaligen Seniorenweltmeister Janis
Klovans (2462) dagegen, der von Arturs Neiksans (2439),
Arnolds Luckans (2452) und Jusefs Petkevich (2433) an der Spitze
unterstützt wurde.
Der estnische Heimvorteil machte sich besonders an den hinteren Brettern
bemerkbar. Lettland konnte zunächst nach 60 Partien mit
31:29 in Führung gehen. Doch schon bald übernahm
Estland die Führung und baute diese bis zum Schluss auf 59:41
aus. Bis zum nächsten Rückkampf in zwei Jahren dürfen die Esten feiern, doch
dann hat Lettland ein Heimspiel.
Der Länder-Vergleichskampf ist
in Lettland und Estland außerordentlich populär und eine großartige Werbung für
das Schach. Estland will demnächst einen weiteren Vergleich gegen seinen
nördlichen Nachbarn Finnland spielen, während die Letten einen Wettkampf gegen
ihren Nachbarn im Süden, Litauen, planen.
Estland gegen Lettland an 100 Brettern
Klovans (li.)
Kaido Kulaots (EST)
Alexander Orava (EST)
Lettisches Frauenteam
Dana Reizniece (LAT)
Ilze Berzina and Laura Rogule (LAT)
Alexander Volodin (EST), Andres Kuusk (EST)
Ann Narva (EST), Diana Kurbanova (LAT)
Mark Lapidus (EST)
Lettland gratuliert
Geschichte des Wettkampfes
Es war einmal vor langer Zeit, bald schon ist
es 30 Jahre her,
dass zwei kleine Nationen an der Ostsee, Estland und Lettland, sich darum
stritten, wer der Stärkere sei. Beide Länder konnten auf eine große
Schachtradition zurück blicken, hier waren Spieler wie
Kieseritzky, Nimzowitsch, Keres and Tal, um nur einige zu nennen,
geboren. Welchen besseren Weg gäbe es, als durch einen Wettkampf heraus zu
finden, wer der Bessere sei? So kam es und der erste Wettkampf fand in der
lettischen Stadt Valka im Jahr 1976 statt.
Am 2.Oktober wimmelte es in der Stadt von Schachspielern,
tatsächlich waren es aus jedem der beiden Länder über Hundert. Lettland trat an
den ersten drei Brettern mit A. Gipslis (schlug V.
Heuer), A. Vitolinsh (schlug R. T.
Etruk) und J. Petkevich (gewann gegen
A. Veingold) an. Doch Estland schaffte es, an den
unteren Brettern auszugleichen und der Kampf endete 50:50.
Vier Jahre später kam es in der estnischen Stadt
Pärnu zum
Rückkampf. Die lettische Mannschaft wurde von V. Bagirov, J. Klovans and A. Vitolinsh angeführt, Estland trat mit
L. Nei, G. Uusi und H. Kerner
an. Estland zeigte sich an den ersten 10 Brettern stärker und gewann
59:41.
Der nächste Wettkampf fand zwei Jahre darauf, 1982, im
lettischen Salacgriva statt. Lettland bereitete sich
akribisch vor und entsandte an den Spitzenbrettern Vitolinsh,
Kengis und Klovans. Estland hielt mit
Nei, Ehlvest und Veingold
dagegen, doch diesmal gewann Lettland den Vergleich mit 52:48.
Der Stolz der lettischen Schachnation war wieder hergestellt und insgesamt stand
es nun 1,5:1,5 nach Wettkämpfen. Das war aber nicht das Ende der Wettkämpfe,
sondern erst der Anfang: Eine neue Tradition war geboren.
Die
nächste Ausgabe fand 1985 in Pärnu statt. Dieser Wettkampf wurde zu einem echten
Thriller. Ehlvest schlug Gipslis an Brett 1 und es sah nicht gut aus für
Lettland, da Estland bald klar in Führung ging. Aber die Letten konnten
zurückschlagen und schließlich hing der Ausgang nur noch an einigen wenigen
Partien. Der Meisterkandidat Janis Vitomskis (heute
Fernschachgroßmeister) verpasste in seiner Partie gegen Ritiv einen hübschen
Entscheidungsschlag (...De4!) und überschritt die Zeit.
Entschieden
wurde der Wettkampf jedoch an Brett 60. Dort holte der lettische Meisterkandidat Vladislav Kazachenkov
den entscheidenden Sieg für die Gäste. Zum ersten Mal musste Estland eine
Niederlage bei einem Heimkampf hinnehmen. Der Endstand hieß
50,5:49,5.
Diese
schmerzvolle Niederlage konnten die Esten nicht lange auf sich sitzen lassen.
Für den nächsten Vergleichskampf wurde sogar eine große Vorausscheidung
organisiert, um die besten Spieler des Landes zu ermitteln. Am 5.Dezember 1987
fand der Wettkampf in Valka statt und Estland trat mit L. Oll, H.
Kerner, L. Nei und K. Kiik an den
Spitzenbrettern an. Lettland bot V. Bagirov, E. Kengis, J. Klovans
und A. Shirov auf. Estland hatt sich zwar gut
vorbereitet, doch es reichte nicht zum Sieg. Kengis schlug Kerner und Shirov war
stärker als Kiik. Auch an den übrigen Brettern zeigten die Letten sich überlegen
und gewannen mit 52,5:47,5. Damit lautete es
insgesamt 3,5:1,5.
Doch die Esten steckten den Kopf
nicht in den Sand und organisierten einen weiteren Wettkampf auf eigenem Bodenim
Jahr 1990. Die Letten waren gut vorbereitet, die Führung auszubauen, denn
diesmal hatten sie sogar den "Zauberer von Riga" Michael Tal in ihren Reihen.
Tal spielte an Brett Eins und Shirov an Brett zwei.
Der junge Shirov
Doch das alleine reichte nicht,
schließlich wurde ja an 100 Brettern gespielt und Brett Eins ist genauso wichtig
wie Brett 100. Und alles in allem hatte Estland diesmal die bessere Mannschaft
und gewann mit 52,5:47,5 und schloss zum Gesamtstand von 3,5:2,5 auf.
Das Jahr 1993 sah einen Wettkampf
zwischen nun unabhängigen Ländern. Dadurch war es jetzt sogar ein
internationaler Wettkampf geworden. Natürlich wollt Lettland auf eigenem Boden,
in Valka, die Scharte wieder auswetzen. Shirov spielte am ersten Brett,
unterstützt von Kengis, Lanka, Bagirov und Gipslis an den folgenden Brettern -
ein echtes "Dream-Team", dass die estnischen Spitzenbretter tatsächlich auch mit
6,5:3,5 hinweg fegte. Aber wie beim vorigen Mal reichte es nicht zum Sieg. Die
hinteren Bretter gingen zugunsten von Estland aus und der Wettkampf endete mit
57:43 für Estland. Nun stand es 3,5:3,5.
Es dauerte sieben Jahre bis es zu
einer Neuauflage des Traditionswettkampfes kam, diesmal in Talinn, der
Hauptstadt von Estland. Hier war es für die Esten am einfachsten, ein
schlagkräftiges Team zusammen zu stellen, um die Gesamtführung zu übernehmen.
Jaan Ehlvest übernahm das Spitzenbrett. An den nächsten Brettern standen ihm Sepp,
Kulaots, Zitin und Kiik zur Seite. Lettland
wurde von den erfahrenen Klovans und Lanka geführt, unterstützt von den jungen
Spielern R. Berzinsh, A. Neiksans und A. Luckans.
Wiedere erwiesen sich die Letten an den Spitzenbrettern als stärker und gewann
das Duell an den ersten 10 Brettern mit 6:4. Doch wieder einmal war für den
Gesamtsieg die größere Ausgeglichenheit entscheidend und so triumphierte Estland
mit 65,5: 34,5. An den
letzten zehn Brettern gewann man mit 9,5:0,5.
Gesamtbilanz 4,5:3,5 für Estland.
Um beim nächsten Wettkampf
ebenfalls ein sehr ausgeglichenes Team aufstellen zu können, wählte man die
Hauptstadt Riga als Austragungsort. Diesmal waren die Esten mit ihren
Topspielern Ehlvest, Kulaots, Rytshagov, Sepp und Maidla
an den Spitzenbrettern stärker und gewann die oberen Bretter mit 5,5,:4,5. Doch
Lettland hatte die hinteren Bretter ausgezeichnet besetzt und kam zu einem
Gesamtsieg von 60,5:39,5 und zum 4,5:4,5-Ausgleich in
der Bilanz. Das war die Ausgangslage, als die lettische Mannschaft am 24.April
nach Estland reiste.
Fotos:
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http://www.latchess.lv/