Rashid Gibyatovich Nezhmetdinov spielte in seiner Karriere 20 mal gegen einen
Weltmeister. Er gewann davon sechs mal (dreimal gegen Tal), spielte neunmal
remis und verlor fünfmal. Kein schlechtes Ergebnis. Dennoch kam er über den
Titel Internationaler Meister nicht hinaus: Ihm Westen bleib er praktisch
unbekannt. Eher zufällig stolpert beim Durchblättern der Datenbanken über ihn und mancher ahnt beim
Nachspielen einer Kombination, welcher Künstler hier aufblitzt. Inzwischen gibt
es immerhin einige Bücher in englischer Sprache über den "Zauberer aus Kazan",
der von Tal als Trainer in sein Team für den Wettkampf gegen Botvinnik berufen
wurde.
Nezhmetdinov wurde am 15. Dezember 1912 in dem Örtchen
Aktiubinsk, Kasachstan, als Kind einer Bauernfamilie geboren. Seine
Eltern starben früh und einer seiner Brüder sorgte für ihn und seine
Geschwister. Die elternlose Familie zog nach Kazan an die Wolga, wo sie den
postrevolutionären russischen Wirren bei allgemeiner wirtschaftlicher Not
in großer Armut um ihr Leben kämpfen musste.
Rashid hatte ein Talent für Brettspiele, besonders Schach und Dame. Eines
Tages sah er den Spielern im örtlichen Schachclub beim Spielen zu, lernte so das
Spiel und besiegte sogleich seine "Lehr"meister. Auch der kleine Raoul
Capablanca soll durch bloßes Zusehen das Schachspiel gelernt haben, doch dies
ist bei Weitem die einzige Gemeinsamkeit im Lebenslauf der beiden Schachspieler.
1927, mit fünfzehn Jahren, spielte er das Schachturnier der Kazaner Pioniere mit
und gewann alle fünfzehn Partien. Zur gleichen Zeit lernte er das Damespiel,
gewann schon einen Monat später das Dame-Halbfinalturnier von Kazan und belegte in der
Endrunde den zweiten Platz. Bei der russischen Damemeisterschaft im gleichen
Jahr wurde er Sechster.
Als Hitler-Deutschland 1941 in Russland einfiel, war Nezhmetdinov 29 Jahre
alt. Er wurde eingezogen und trat erst wieder 1946 im Schach in Erscheinung. Das
Damespiel hatte vor dem Krieg zugunsten des Schachs eigentlich aufgegeben. Als
er 1949 jedoch als Zuschauer in Kazan bei der Vorausscheidung zur Russischen
Damemeisterschaft anwesend war, zog einer der Teilnehmer plötzlich zurück.
Nezhmetdinov sprang für ihn ein und gewann in der Folge alle Partien und
qualifizierte sich für das Finalturnier. Dieses fand zufällig im Anschluss an
die Landesmeisterschaft im Schach statt, für die er ebenfalls qualifiziert war.
So kam es, dass er 1949 erst russischer Meister in Dame, dann im Schach wurde.
Insgesamt wurde er fünfmal russischer Meister. Sein beste Platzierung bei
UdSSR-Meisterschaften war der 7. Platz im Jahr 1954. In diesem Jahr hätte Nezhmetdinov
immerhin laut den Berechnungen von Jeff Sonas (Chessmetrics) Platz 35 in
der Weltrangliste eingenommen, falls es so etwas schon gegeben hätte.
Im Laufe seiner Karriere schlug er Spieler wie Tal, Spassky, Polugajevsky und
Geller. Sein besonderes Talent lag unübersehbar im taktischen Bereich, wo er eine Reihe
verblüffender Kombinationen und Opfer fand. Botvinnik sagte über ihn: "Niemand
versteht Kombinationen so wie Nezhmetdinov." Rashid Nezhmetdinov starb am 3. Juni 1974.
Als seine beste Partie bzw. Kombination gilt diese hier gegen Polugajevsky aus
dem Jahr 1958.
Dreimal Nezhmetdinov zum
Nachspielen und Staunen...
André Schulz/7.Mai 2003