Artur Jussupow und Uwe Bönsch: Prognosen zur WM

von ChessBase
22.04.2010 – Auch Uwe Bönsch ist mit seiner Nationalmannschaft ein Opfer der isländischen Vulkanasche. Der Bundestrainer und seine Spieler saßen nach einem Freundschaftsmatch gegen Vietnam in Hanoi fest. Dagobert Kohlmeyer konnte dem Bundestrainer trotzdem über Skype zu einer kurzen Stellungsnahme zum kommenden WM-Match bewegen. Ausführlicher äußert sich der frühere WM-Kandidat Artur Jussupow. Während Bönsch leichte Vorteile bei Anand sieht, will sich Jussupow micht festlegen und glaubt, dass der Spieler gewinnen wird, der seine beste Form abrufen kann: Topalow seine Form vom FIDE-WM-Turnier von San Luis 2005 und Anand seine Form vom Match gegen Kramnik 2008. Zu den Interviews...

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„Wir werden einen phantastischen Kampf erleben“
Interview mit Artur Jussupow
Von Dagobert Kohlmeyer



Wie viele renommierte Großmeister wird Artur Jussupow die WM-Partien von Sofia aufmerksam verfolgen. Der 50-Jährige war einst Vishy Anands Sekundant und kennt Weselin Topalow ebenfalls sehr genau. Artur hat sich interessante Gedanken über das bevorstehende Match gemacht.

Ist Anands verspätete Ankunft in Sofia ein großes Handicap für den Weltmeister?

Sie kostete ihn etwas Energie. Aber er ist erfahren genug, die Situation zu meistern. Mir gefiel der anfänglich scharfe Ton der Veranstalter gegenüber dem Champion nicht. Für die Umstände konnte Anand nichts. Der WM-Zeitplan und die vertraglichen Verpflichtungen sind wichtig, doch die Kommunikation muss harmonisch sein, um die Dinge sportlich zu lösen. Gut, dass ein Kompromiss mit der FIDE gefunden wurde, einen Tag später zu beginnen.

Wie ist deine Prognose für das WM-Match in Sofia?

Es wird eng. Wenn man gesehen hat, wie überlegen Anand im Herbst 2008 in Bonn gegen Kramnik gewann, denkt man bestimmt, er ist Favorit. Erinnert man sich aber daran, wie Topalow 2005 in San Luis aufgetrumpft hat, erscheint auch er als unschlagbar. Die Frage ist, wer von beiden diese großartige alte Form wieder erreichen kann. Wenn einer von ihnen das schafft, so gewinnt er. Gelingt es allen beiden, dann werden wir einen phantastischen WM-Kampf erleben.

Kramnik hat gesagt, „Anand ist der Favorit, aber Topalow wird gewinnen.“ Wie interpretierst du diesen Satz?

Nun, ich kann jetzt nicht kommentieren, was Kramnik denkt. Vielleicht spielen seine Erinnerungen an den Toiletten-Skandal von Elista noch eine Rolle. Ich bin jedenfalls nicht so sicher, ob der Heimvorteil überhaupt günstig für Topalow ist. Die Frage ist natürlich auch, wie Anand dann mit der Sache umgeht, dass Topalow zu Hause viel Unterstützung hat. Beeinflusst die dortige Kulisse den Titelverteidiger oder nicht? Fühlt er sich in dieser fremden Situation wohl, das ist die Frage.

In Bonn dachten viele, das ist Kramniks Territorium, aber Anand zeigte sich davon unbeeindruckt.

Ja. Vishy ist sehr erfahren und wird das auch in Sofia meistern. Er ist kein Greenhorn. Und ich kann mir auch nur schwer vorstellen, dass dort hinter den Kulissen etwas läuft und es einen unfairen Kampf geben wird. Beide sind hervorragende Spieler, und ich hoffe, dass sie ihre Superform finden werden, dann werden wir ein großes Schach-Duell sehen. Aber es ist natürlich sehr schwer, die beste Form im entscheidenden Moment abzurufen und keine Schwächen zu zeigen.

Man muss natürlich auch die richtigen Eröffnungen erwischen, um den Gegner zu überlisten.

Es ist richtig, dass die Vorbereitung eine wichtige Rolle spielt. Aber sie sind beide sehr klug, und ich glaube nicht, dass einer den anderen komplett überraschen kann. Vielleicht gewinnt man mal eine Partie durch häusliche Vorbereitung, das kann schon sein, doch beide sind in der Lage, auch am Brett sehr gut auf Neuerungen zu reagieren. Sie haben ein breites Eröffnungs-Repertoire und können praktisch alles spielen. Sicher kann ein neuer Zug psychologischen Vorteil bringen und dem Gegner Probleme stellen, aber durch die Vorarbeit allein hat noch kein Schachspieler einen WM-Kampf gewonnen.

Was ist neben der Vorbereitung noch wichtig?

Um erfolgreich zu sein, muss man in einem solchen Match vor allem seine spielerischen Qualitäten zeigen. Alle Komponenten des Schachkampfes müssen stimmen, aber wenn zwei Gegner gleichwertig sind, dann kann die Vorbereitung schon das Zünglein an der Waage sein. Ich war 1998 WM-Sekundant von Anand und weiß, dass er sehr fleißig ist. Er liebt das Schach und arbeitet bis heute sehr viel daran.

Gilt das auch für Topalow?

Unbedingt. Er war immer ein Phänomen für mich, weil er über viele Stunden hinweg so stark am Brett arbeitete. Während der Partie stand er praktisch nicht auf und grübelte auch, wenn die Zeit des Gegners lief, über die besten Züge nach. In letzter Zeit bemerkte ich aber eine Tendenz, dass Topalow schneller spielt, um seine Kontrahenten über die Zeit zu drücken. Das ist für meinen Geschmack etwas zu praktisch gedacht. Ich glaube nicht, dass man einen Anand durch Schnelligkeit besiegen und über die Zeit schieben kann.

 

Uwe Bönsch: „Es wird eine knappe Sache“

Der Bundestrainer hängt noch immer mit dem DSB-Team in Vietnam fest, wo ein Länderkampf (6:6) gespielt wurde. Drücken wir der Mannschaft die Daumen, dass der Rückflug heute am Abend beginnen kann. Vor der Abreise gab Uwe uns folgenden WM-Tipp ab:

Wer wird in Sofia gewinnen?

Eigentlich ist Vishy Anand für mich der Favorit. Aber es wird ein ganz enges Match, denn Topalow ist einer der interessantesten Großmeister. Er spielt wirklich jede Partie voll auf Gewinn. Insgesamt gebe ich auch ihm Chancen, doch einen leichten Vorteil räume ich Anand ein.

Warum?

Der amtierende Weltmeister ist gereifter als sein Gegner und der komplettere Spieler. Anand verfügt ganz einfach über mehr Erfahrung. Trotzdem, so denke ich, wird es eine sehr knappe Sache.

Erwartest du in Sofia einen Konflikt wie bei Kramnik-Topalow 2006 in Elista? Viele haben den dortigen Toilettenkrieg noch in Erinnerung.

Nein. Beide WM-Finalisten sind zu clever, dass so etwas eine Rolle spielt. Das wird einfach ausgeblendet. Anand kann sich wunderbar auf einen Wettkampf konzentrieren, und dasselbe gilt auch für Topalow. Schachpolitik und frühere Konflikte sollten in Sofia außen vor bleiben.

 

 

 


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